Das Rote Kornfeld
ein dampfend heißes Handtuch aus Schafsfell aus dem Messingbecken und wrang es aus. Das überschüssige Wasser tropfte geräuschvoll in das Becken. Das Tuch war so heiß, dass es ihr die Hände verbrühte, und sie warf es von einer Hand in die andere. Sie breitete es aus und legte es über das beschmutzte Gesicht meiner Zweiten Großmutter. Obwohl Großvater ihr die Arme festhielt, verdrehte sie den Hals, und schreckerfüllte, gedämpfte, eulenartige Schreie drangen durch das Tuch. Großmutter nahm Zweiter Großmutter das Tuch vom Gesicht. Es war schmutzig. Sie zog es durch das Becken, wrang es aus und wischte langsam mit vom Kopf abwärts gerichteten Bewegungen den Körper der Zweiten Großmutter ab.
Immer weniger Dampf stieg aus dem Messingbecken auf. Dampfperlen sammelten sich auf Großmutters Gesicht. «Schütte das schmutzige Wasser weg», sagte sie zu Großvater, «und bring mir sauberes Wasser.»
Vater rannte in den Hof, um zuzusehen, wie Großvater das Wasserbecken trug. Sein Rücken war gebeugt, und er strauchelte, als er es zur niedrigen Wand um die Toilette trug und das Wasser hinüberschüttete. Ein bunter Wasserfall segelte durch die Luft und verschwand schnell.
Vater legte wieder das Auge an den Türspalt. Inzwischen glänzte der Körper der Zweiten Großmutter wie poliertes Sandelholz. Ihre Schreie waren jetzt schwach und mühsam, kaum mehr als schmerzerfülltes Stöhnen. Großmutter ließ Großvater die Kranke hochheben, so dass sie die Matte vom Bett nehmen konnte, die sie zusammenrollte und unter die Bettstatt warf. Dann holte sie eine saubere Matte und breitete sie über das Bett. Großvater legte Zweite Großmutter wieder hin, und Großmutter legte ein dickes Stück Watte zwischen ihre Beine und deckte sie mit einem Laken zu. «Jüngere Schwester», sagte sie leise, «schlaf! Schlaf jetzt ein! Zhan’ao und ich bleiben bei dir.»»
Friedlich schloss Zweite Großmutter die Augen.
Großvater ging noch einmal Wasser wegtragen.
Als Großmutter die Leiche meiner kleinen Tante Xiangguan wusch, schlich sich Vater wieder ins Zimmer und blieb vor dem Bett stehen. Großmutter sah ihn, aber sie jagte ihn nicht fort. Als sie das getrocknete Blut vom Körper der kleinen Tante wusch, fielen wie Perlenschnüre Tränen aus ihren Augen. Als sie fertig war, lehnte sie den Kopf an die Schlafzimmerwand und blieb lange bewegungslos stehen, als sei sie tot.
Kurz vor Sonnenuntergang wickelte Großvater die Leiche der kleinen Xiangguan in eine Decke und nahm sie in die Arme. Vater folgte ihm zur Tür. «Geh wieder rein, Douguan. Bleib bei deiner Mutter und deiner Zweiten Mutter.»
Onkel Luohan hielt Großvater am Südtor auf. «Direktor Yu»», sagte er, «geh du auch wieder rein. Ich kümmere mich darum.»
Großvater übergab Onkel Luohan meine kleine Tante, kehrte an die Haustür zurück, nahm meinen Vater bei der Hand und sah zu, wie Onkel Luohan das Dorf verließ.
7
Am dreiundzwanzigsten Tag des zwölften Monats im Jahre 1973 feierte Geng mit den Achtzehn Stichen seinen achtzigsten Geburtstag. Als er bei Morgengrauen aufwachte, hörte er den Lautsprecher auf dem Dorfplatz und die schwache, kränkliche Stimme einer alten Frau: «Yongqi... » Mit rauher Stimme antwortete ein Mann: «Geht es dir besser, Mutter?»» Die alte Frau antwortete: «Nein, beim Aufwachen ist mir noch schwindliger, als wenn ich ins Bett gehe ...»»
Geng mit den Achtzehn Stichen stützte sich auf die eiskalte Matte, um aufzustehen. Auch er fühlte sich heute morgen schwindlig. Draußen pfiff ein kalter Wind und wehte Schneeflocken gegen das trübe Fensterpapier. Er warf den mottenzerfressenen Hundepelz über die Schultern und ließ sich von der Bettstatt auf den Boden gleiten. Er griff nach dem Stock mit dem Drachenknauf, der an der Wand lehnte, und stolperte zur Tür hinaus. Eine dichte Schneedecke lag über dem Hof, und wenn er auf die zerbröckelnde Mauer sah, konnte er nichts ausmachen als ein silberweißes Meer, auf dem hie und da Häufchen von Hirseschalen trieben wie kleine Boote.
Es sah nicht aus, als wolle der Schneesturm nachlassen. Mit dem Glücksgefühl im Herzen, das nur Überlebende einer Katastrophe kennen, ging er wieder ins Haus und hob mit seinem Stock die Deckel des Reisbehälters und der Mehldose hoch. Sie waren beide leer. Also hatte er sich gestern abend doch nicht geirrt. Zwei Tage lang hatte sein Magen kein Essen mehr gesehen, und seine nutzlosen alten Därme krümmten und wanden sich. Er wusste,
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