Das Rote Kornfeld
dass es an der Zeit war, seinen Stolz zu überwinden und den Zweigsekretär der Produktionsbrigade um Getreide zu bitten. Auch wenn sein Bauch leer war und er vor Kälte zitterte, wusste er, dass es nicht einfach sein würde, Getreide aus dem hartherzigen Zweigsekretär herauszuholen. Er beschloss, ein bisschen Wasser warm zu machen, um seinen Magen anzuwärmen, bevor er sich auf den Kampf mit diesem Schweinehund einließ. Er hob den Deckel des Wasserfasses mit dem Drachenknauf seines Stocks : kein Wasser, nur Eisklumpen.
Allmählich wurde ihm klar, dass er seit drei Tagen den Ofen nicht mehr angemacht hatte und dass sein letzter Gang zum Dorfbrunnen zehn Tage zurücklag. Er griff nach einer aufgesprungenen Kürbisschale und schaufelte zwanzig oder dreißig Schalen voll Schnee auf, die er in seinen brüchigen ungewaschenen Kochtopf schüttete. Er legte den Deckel auf den Topf und sah sich nach Brennholz um. Es gab keins. Also ging er ins Schlafzimmer, riss eine Handvoll Stroh aus der Matte über dem Bett und hackte mit seiner Axt ein paar geflochtene Hirsestrohkissen und einen Strohblock klein. Er kniete nieder und zündete mit seinem Feuerstein das Feuer an. Streichhölzer, die früher zwei Fen das Päckchen gekostet hatten, gab es jetzt nur noch gegen Bezugsscheine, die er nicht hatte, und markenfreie Streichhölzer konnte er sich nicht leisten. Er wusste, dass er ein abgerissener, verarmter alter Hundesohn war.
Aus dem schwarzen Ofenloch züngelten die ersten wärmenden roten Flammen, und er schmiegte sich eng daran, um seinen Bauch aufzuwärmen. Vorne verflüchtigte sich die Kälte, aber sein Rücken blieb kalt. Schnell stopfte er noch mehr Stroh in den Ofen und kehrte dem Feuer den Rücken zu. Jetzt wurde sein Rücken wärmer, aber auf dem Bauch sammelte sich Eis. Mit einem Körper, der zur Hälfte warm, zur Hälfte kalt war, fühlte er sich noch elender als zuvor. Also gab er den Versuch, warm zu werden, auf und konzentrierte sich darauf, Stroh in den Ofen zu stopfen, um das Wasser zum Kochen zu bringen. Mit einem Bauch voll heißem Wasser konnte er sich gegen den kleinen Schweinehund wehren, und wenn er kein Getreide aus ihm herausholen konnte, würde er ihn wenigstens von seinem bequemen Ofen weglocken.
Das Feuer unter dem Wasserkessel war am Erlöschen. Also stopfte er die letzte Handvoll Stroh in das gierig geöffnete schwarze Maul des Küchengotts und hoffte, dass es langsam brennen würde. Aber es loderte auf und brannte wie verrückt. Im Topf rührte sich nichts. Hurtiger, als er es sich selbst zugetraut hätte, sprang er auf und stürzte ins Schlafzimmer. In einem letzten Versuch, das Eis im Topf zu schmelzen, riss er das wenige übrige Stroh aus der Bettmatte und stopfte es ins Ofenloch. Dann schob er mit brutaler Entschlossenheit seinen kleinen dreibeinigen Hocker in das Ofenloch und stopfte seinen beinahe kahlen Besen in den schwarzen Schlund des Küchengotts. Der rülpste ein-, zweimal und spuckte dicke schwarze Rauchwolken aus. Blass vor Angst riss er mit dem Drachenknauf den Bambusfächer von der Wand, hob ihn auf und fächelte dem Ofen emsig Luft zu. Der schluckte weiter und spuckte Rauchwolken aus. Ein lautes Knistern kündete die hartglühenden Flammen des Hockers und des Besens an. Er wusste, dass Holz langsamer brannte, und so konnte er endlich aufatmen. Aus seinen alten rauchgeschwärzten Augen rannen Tränen und liefen über das wettergegerbte Gesicht wie zähflüssiger Schleim. Vier oder fünf Tropfen vereinten sich zu einem großen Tropfen und liefen ihm in den Bart.
Das Wasser im Topf begann zu simmern wie zirpende Zikaden. Das war Musik in seinen Ohren, und ein unschuldig kindliches Grinsen breitete sich über seinem Gesicht aus. Als das Feuer im Ofen nachließ, wich das Grinsen einem Ausdruck panischen Schreckens. Er sprang auf und suchte nach etwas Brennbarem, egal was. Die Pfeiler und Dachbalken hätten es getan, aber er war zu schwach, um sie auszureißen. Plötzlich ging ihm die Geschichte von einem der Acht Unsterblichen durch den Sinn. Li mit der Eisernen Krücke hatte sein eigenes Bein verbrannt. Die Legende berichtete, Li habe sein Bein in den Ofen gesteckt und gelauscht, wie es knisternd verbrannte. «Lieber Mann», hatte seine Frau gesagt, «du machst dich noch zum Krüppel.» Und genau wie sie es mit ihrem stinkenden Maul vorausgesagt hatte, wurde das Bein lahm. Natürlich war er kein Unsterblicher, und auch ohne sich das Bein zu verbrennen, konnte er kaum mehr einen
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