Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung
scheelsüchtige Feinde, unsere Kultur gegen asiatisches Barbarentum», in diesem Kampf – so das offizielle Verbandsblatt «Das Rote Kreuz» in seiner 1. Kriegsnummer vom 16. August 1914 – habe «das DRK eine gewaltige Aufgabe zu erfüllen». Ein Schlaglicht auf das damalige Selbstbild etwa in Deutschland warfen auch Veröffentlichungen mit Titeln wie «Die Freiwilligen-Armee unter dem Banner des Roten Kreuzes» (1917), welche in großer Auflage vertrieben (hier 115.000 Exemplare) nicht nur die umfassende Militarisierung der Sanitätsdienste dokumentierten, sondern auch die Motivation der kämpfenden Truppe erhalten und steigern sollten. Trotz oder vielleicht gerade auch wegen dieser zu Recht als «unreflektiert kriegsbejahend und nationalapologetisch» (Riesenberger) charakterisierten Grundhaltung vieler nationaler Rotkreuzgesellschaften waren diese bei Erfüllungihres humanitären Auftrags durchaus erfolgreich. Bestens auf den Krieg vorbereitet vermochte etwa das Deutsche Rote Kreuz (DRK) nicht nur Millionen von Helferinnen und Helfern zu mobilisieren. Es rüstete unter anderem auch 83 große Lazarettzüge aus, vermochte mit Rotkreuzsammlungen und -lotterien erhebliche Geld- und Sachmittel zu beschaffen, unterhielt 3555 Lazarette und Genesungsheime, stellte für eine Million kranke und verletzte Soldaten Kurplätze zur Verfügung und trug damit ganz im Sinne der Rotkreuzidee entscheidend dazu bei, die Leiden der Kriegsopfer so weit wie möglich zu lindern.
Ein anderes fundamentales Prinzip der Rotkreuzbewegung geriet im patriotischen Überschwang indes erheblich unter Druck: dasjenige der Freiwilligkeit. Nicht nur wurde der propagandistische Druck von Staats wegen so groß, dass man sich dem «nationalen Ehrendienst» faktisch kaum mehr entziehen konnte. Auch das DRK, dessen Mitarbeiterzahl allein im Zentralkomitee in Berlin im Laufe des Krieges auf etwa 700 angestiegen war, propagierte eine Generalmobilisierung des deutschen Volkes, wobei es sich selbst natürlich als diejenige Organisation empfahl, mit deren Hilfe alle nicht Wehrpflichtigen «ob Mann oder Frau, Greis oder Kind, Gesunder oder Kranker … dem Vaterland zum Siege […] verhelfen» sollten (Das Rote Kreuz, 1915, Nr. 1, S. 7). Mit dem Vaterländischen Hilfsdienstgesetz vom Dezember 1916 geriet dieses Grundprinzip der Rotkreuzbewegung (und damit letztlich auch die Unabhängigkeit der deutschen Rotkreuzorganisation) dann tatsächlich in akute Gefahr, was zumindest in Teilen der Rotkreuzorganisation als inakzeptabel empfunden wurde. Auch beim Werben um die Zeichnung von Kriegsanleihen spielte das DRK eine führende Rolle und war sich dabei völlig darüber im Klaren, dass es sich hierbei um eine eindeutig kriegsverlängernde Maßnahme handelte. Im Lichte der Rotkreuzidee war damit aber dann wohl doch eine rote Linie überschritten. Zur Friedensbewegung hatte man um der Sache willen immer eine kritische Distanz gewahrt. Aber eine aktive Förderung des Krieges war mit den Idealen der Rotkreuzbewegung gleichermaßen unvereinbar. Als eine vielleicht unvermeidliche, aber zweifellos doch bedauerliche Konstanteder Menschheitsgeschichte, so hatte die 5. Rotkreuzkonferenz in Rom (1892) die «schreckliche Geißel» des Krieges charakterisiert und diese Haltung seither auch nicht mehr revidiert.
Schwerpunkt Kriegsgefangene. Hatte die patriotische Selbstbezogenheit der nationalen Hilfsgesellschaften im Ersten Weltkrieg damit einen traurigen Höhepunkt erreicht, blieben für eine lenkende oder gar mäßigende Einwirkung aus Genf wohl nur geringe Spielräume. Selbst so bescheidene Versuche wie die in einem Rundschreiben des Komitees vom 30. November 1917 formulierte Idee, die Fortschritte in der Orthopädietechnik zum Nutzen aller Kriegsgeschädigter miteinander zu teilen, blieben ohne positive Resonanz. Und so konzentrierte sich das Komitee auf der Grundlage des ihm zwei Jahre zuvor auf der Rotkreuzkonferenz von Washington erteilten und in der Praxis wiederum erweiternd ausgelegten Mandats ganz auf den Einsatz zugunsten der Kriegsgefangenen – mit unerwartet großem Erfolg. Mit Hilfe der noch im August 1914 gegründeten «Agence internationale des prisonniers» (Internationale Zentralstelle für Kriegsgefangene) und in enger, gerade im deutsch-französischen Verhältnis nicht immer spannungsfreier Zusammenarbeit mit nationalen Dienststellen konnte umfangreiche materielle Hilfe organisiert, vor allem aber ein beispielloser Such- und Auskunftsdienst
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