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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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-begleitendes Aufgabenspektrum war spätestens mit dem Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz vom 9. Dezember 1937 abgeschlossen:
    § 3: «Das Deutsche Rote Kreuz wird gemäß Artikel 10 des Genfer Abkommens zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Heere im Felde vom 27. Juli 1929 […] als freiwillige Hilfsgesellschaft anerkannt und ermächtigt, im amtlichen Sanitätsdienst der Wehrmacht mitzuwirken.»
    Hart traf der erzwungene Abschied von der Wohlfahrtsarbeit insbesondere die DRK-Frauenvereine, die sich – letztlich wenig verwunderlich – der Konkurrenz der NS-Frauenschaft und anderer NS-Wohlfahrtsverbände auf Dauer nicht erwehren konnten. Auch das Jugendrotkreuz musste 1935 dem Totalitätsanspruch der NS-Jugendorganisationen weichen und seine Arbeit einstellen. Immerhin, die Brücken zur internationalen Rotkreuzbewegung waren nicht abgebrohen, sondern durch das Gesetz von 1934 sogar noch einmal explizit bestätigt worden. Tatsächlich war man auch in anderer Hinsicht bemüht, das Verhältnis zum Genfer Komitee, der Liga, den anderen Rotkreuzgesellschaften und der Völkerrechtsgemeinschaft insgesamt nicht unnötig zu belasten. Um Irritationen im Ausland zu vermeiden wurde so auf Drängen des Auswärtigen Amtes die seit 1934 verpflichtend angeordnete Verbindung des Rotkreuzzeichensmit NS-Symbolik (Adler mit Hakenkreuz) bewusst nicht in das Rotkreuzgesetz von 1937 selbst aufgenommen, sondern in der zeitgleich zum 1.1.1938 in Kraft tretenden Satzung «versteckt». Auch eine «Arierklausel» findet sich nur hier – und dies, mittels Bezugnahme auf das DRK-Dienstrecht, auch nur in sehr verklausulierter Form.
    Die Bindung einer nationalen Rotkreuzgesellschaft an die Prinzipien der internationalen Rotkreuzbewegung einerseits und ihre traditionelle Nähe zum und damit Abhängigkeit vom Heimatstaat andererseits kann zu praktisch nicht lösbaren Loyalitätskonflikten führen. Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Herrschaft steht exemplarisch für einen solchen Loyalitätskonflikt. Nimmt man die national-konservative bis bestimmten Elementen der nationalsozialistischen Ideologie nahestehende und traditionell systemnahe Grundhaltung der Organisation als Ganzes, ihrer Führung und der Mehrzahl ihrer Mitglieder hinzu, so wird man Konfliktbereitschaft und Widerstandsgeist nicht gerade zu den vornehmsten Charakteristika des DRK zählen, etwas, was wohl auch für die meisten anderen nationalen Rotkreuzgesellschaften gilt. Das mag die knapp und nur exemplarisch skizzierten Vorgänge erklären. Den fundamentalen Rotkreuzidealen der Humanität widersprechendes individuelles und kollektives Fehlverhalten im Einzelfall vermögen diese Faktoren aber selbstverständlich nicht zu rechtfertigen. Dort aber, wo ohne Vorhandensein eines Loyalitätskonflikts die Gunst der Stunde genutzt wurde, um im Zusammenwirken mit den NS-Machthabern die eigene Position auf dem bereits damals umkämpften Wohlfahrtssektor zu stärken, muss jedes Verständnis fehlen. Ohne Not und aus eklatant egoistisch-opportunistischen Motiven begleitete das DRK aktiv und mit äußerstem Wohlwollen die Auflösung des Arbeitersamariterbundes (Sommer 1933) und übernahm Vermögenswerte, Ausrüstungsgegenstände und teilweise auch das Personal der der Sozialdemokratie nahestehenden Wohlfahrtsorganisation. Dieser Vorgang sollte als ein besonders dunkles Kapitel in der deutschen Rotkreuzgeschichte in Erinnerung bleiben.
    Hochrangige Vertreter des DRK haben sich schließlichschwerster ideologisch motivierter Verbrechen schuldig gemacht, an erster Stelle sicher Dr. Ernst Robert Grawitz, Arzt, SS-Angehöriger und seit 1937 als Vize- und damit geschäftsführender Präsident die eigentliche Führungsfigur der Gesamtorganisation. Dieser faktisch höchste Repräsentant einer dem Humanitätsideal verpflichteten Organisation war aktiv am Euthanasieprogramm beteiligt und dabei nach eigener Aussage auch bereit, «nach Errichtung der ersten Tötungsanstalt die Tötung des ersten Geisteskranken selbst durchzuführen». Grawitz war zudem für die Genehmigung medizinischer Experimente an KZ-Häftlingen zuständig und arbeitete auch unmittelbar an der Durchführung des Massenmordes an den Juden mit. Abgesehen von vereinzelten Episoden liegen hingegen offensichtlich keine belastbaren Belege dafür vor, dass auch die Rotkreuzorganisation als solche unmittelbar in diese schwersten Verbrechen verwickelt war; ausschließen kann man eine jedenfalls punktuelle Beteiligung

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