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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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Jahre schuf, unsittlich und verderbt […] zu finden; es gibt einen bestimmten Aspekt des Judentums, den ein gesundes Volk bekämpfen muß.» (Freiburger Rundbrief 1999, 672).
    Diese Aussage war selbstverständlich nicht repräsentativ für die damaligen Mitglieder des IKRK, geschweige denn war sie dort mehrheitsfähig. Auch wird sie der Gesamtpersönlichkeit dieses intelligenten, politisch und sozial engagierten Menschen sicher nicht gerecht. Immerhin hat das Weizmann-Institut Burckhardt nach dem Krieg zum Ehrenmitglied gemacht, «wegen seines Wirkens zugunsten der notleidenden Völker, darunter des jüdischen Volkes, in seiner Eigenschaft als Leiter einer großen humanitären Organisation». Aber deutlich wird hier doch, dass die unheilvolle Rassenideologie bis in den Kern der humanitären Weltbewegung vorzudringen vermochte und damit – in bewusst vorsichtiger Formulierung – jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass sie deren Tätigkeit bzw. Untätigkeit bis zu einem gewissen Grade mitbeeinflusst haben könnte.
    Das «viel größere Unglück» sah man in Genf denn auch offensichtlich darin, dass angesichts der kategorischen und teilweise mit Drohgebärden verknüpften Zurückweisung jeder Kritik an den antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes (etwaauch nach der sog. Reichspogromnacht vom 9. November 1938) die realistische Gefahr bestünde, DRK und Deutsches Reich könnten jede Kooperation aufkündigen und das IKRK damit an der Wahrnehmung seiner völkervertraglich garantierten Schutz- und Hilfsaufgaben in einer sich bereits früh als möglich, ja wahrscheinlich abzeichnenden militärischen Auseinandersetzung gehindert werden.
    Hinsichtlich seiner personellen und materiellen Ressourcen war das IKRK damals in der Tat keine mächtige Organisation, die in nennenswertem Umfang zu autonomem Handeln befähigt war – ganze zehn Verwaltungsstellen konnte das Komitee 1933 aus seinem knappen Budget finanzieren. Das gesamte Organisationsmodell der Rotkreuzbewegung beruhte und beruht bis heute auf einem konstruktiven und kooperativen Zusammenwirken von internationalen Gremien (IKRK und Liga/Föderation) einerseits und nationalen Gesellschaften und Regierungen andererseits.
    Aber konnte das Deutsche Reich wirklich ein Interesse am Ausscheren aus dem Rotkreuzverbund haben? Dies darf man mit Fug und Recht bezweifeln, beruhte die formal unabhängige Sonderrolle des DRK im NS-System doch gerade darauf, «seine überstaatlichen Verbindungen im deutschen Interesse auszuwerten und für Deutschland, insbesondere für die Wehrmacht im Krieg nutzbar zu machen» – so eine offiziöse zeitgenössische Selbsteinschätzung des DRK. Und so muss das IKRK wohl jedenfalls mit der dauerhaften Kritik leben, allzu ängstlich einer offensiveren Auseinandersetzung mit dem Unrechtsregime ausgewichen zu sein. Eine moralische Autorität – und mehr konnte das IKRK angesichts der realen Machtverhältnisse wohl tatsächlich nicht sein – mag gegenüber einer Gewaltherrschaft ohne Moral faktisch wenig ausrichten können. Aber das wenige wäre wohl zumindest eines engagierteren Versuchs wert gewesen.
    Durch eine gezielte Imageoffensive (Unterstützung einer Schweizer Initiative für eine Rotkreuzkonferenz über den Schutz der Zivilbevölkerung, Hilfseinsätze bei Unglücksfällen und Naturkatastrophen im Ausland, Einladung des IKRK-Mitglieds Burckhardt zu einem achttägigen Deutschlandbesuch) sowieeine geschickte Personalpolitik gelang es den NS-Machthabern, in ihren internationalen Beziehungen den Eindruck zumindest einer gewissen Kontinuität und Normalität zu erzeugen. Bis 1937 konnte der in Genf bereits von den erfolgreichen Satzungsverhandlungen des Jahres 1928 bekannte und geschätzte Paul Draudt als Chef des neuen «Amtes Auslandsdienst» des DRK weiteragieren und kurz vor Kriegsbeginn übernahm dieses Amt dann Walther Georg Hartmann, der, anders als sein Interimsvorgänger in diesem Amt Robert Grawitz, mit einigem diplomatischen Geschick dem humanitären Anliegen des DRK auf der internationalen Bühne zumindest rhetorisch wieder stärkeren Ausdruck verlieh.
    Zu einem für die humanitäre Sache desaströsen Propagandaerfolg des NS-Regimes wurden auch die Besuche von Konzentrationslagern durch die IKRK-Delegierten Burckhardt (1935) und Favre (1938), die sich beide ganz überwiegend positiv über die Zustände äußerten: So hält Favre im Bericht über seinen Besuch im Lager Dachau (1938) u.a. ganz unkommentiert fest: «solide gebaute,

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