Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung
bedingungslos zur Verfügung», so 1939 rückblickend Felix Grüneisen, ein hoher DRK-Funktionär der Zeit. Im Nachhinein mag man mit guten Gründen bezweifeln, ob das DRK im Jahre 1933 wirklich in seiner Existenz gefährdet war, ein Argument, das immer wieder für die beschämend eilfertige Anbiederung an das Regime vorgebracht worden ist. Immerhin ratifizierte das Deutsche Reich noch 1934 die Genfer Konvention von 1929 und bekannte sich damit auch ganz offiziell zu Grundprinzipien der Rotkreuzbewegung, darunter eben auch der Existenz einer unabhängigen nationalen Gesellschaft. Aus einem Gespräch am 1. April 1933 zwischen Reichsinnenminister Frick und DRK-Präsident Winterfeldt-Menkins, der in diesem Amt noch im November 1933 durch Carl-Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha abgelöst werden sollte, wird zudem deutlich, dass Partei und Regierung den umfangreichen personellen, materiellen und logistischen Ressourcen des DRK für den Fall einer deutschen Mobilmachung eine durchaus bedeutsame Rolle beimaß. Die von der NS-Führung offensichtlich rasch erkannte kriegswichtige Funktion des DRK – auch und gerade als integralem Bestandteil der internationalen Rotkreuzbewegung – hätte den Entscheidungsträgern innerhalb der Organisation damit möglicherweise durchaus Spielräume für ein etwas selbstbewussteres Auftreten gegenüber den neuen Machthabern geben können. Wirklich gewollt haben scheint dies jedoch kaum jemand. Ganz im Gegenteil:Am 12. Mai 1933 verfasste der DRK-Präsident eine an Hitler persönlich adressierte Ergebenheitsadresse, in dem vom «begeisterten Aufschwung neuer Hoffnung» und dem «Glauben an die Erfüllung uralten Sehnens: die wahre und tiefe Volksgemeinschaft aller Deutschen» schwadroniert und dem «Führer» für die Erneuerung des Deutschen Reiches die bedingungslose Unterstützung des Roten Kreuzes angedient wird. Immerhin wurde 1939 von der NS-Führung in der Retrospektive ein «allzulanges Fortwirken traditionsgebundener Organisations- und Führungsformen» beklagt, was darauf schließen lässt, dass der Integrationsprozess des Roten Kreuzes in den NS-Staat eben doch nicht ganz reibungslos vonstattenging. Auch in der Führung der Schwesternschaften scheint die ganz überwiegende Reaktion auf den Systemwechsel billigend bis begeistert gewesen zu sein. Kein Wunder also, dass die rasche Übernahme aller wichtigen Führungspositionen durch dem Regime nahestehende Personen – und in den Folgejahren dann auch ganz unmittelbar durch SS-Funktionäre – sowie die schrittweise Ausrichtung der Organisationsstruktur nach dem Führerprinzip offensichtlich keinen nennenswerten Schwierigkeiten begegnete. Kein Wunder auch, dass nicht nur der Ausschluss der zahlreichen jüdischen Mitglieder angesichts eines jedenfalls zunächst noch bestehenden nicht unerheblichen Handlungsspielraums ohne konkrete Not bereitwillig und in vorauseilendem Gehorsam beschämend rasch, umfassend und reibungslos vonstattenging. Auch die inhumane Rassenpolitik insgesamt stieß in der einem diskriminierungsfreien Humanitätsideal verpflichteten Organisation zu keiner Zeit auf nennenswerten Widerstand. Kein Wunder weiterhin, dass die etwas naive Hoffnung des IKRK, das DRK werde sich schon im Einklang mit der Beschlusslage der internationalen Rotkreuzbewegung «tatkräftig vom humanitären Standpunkt um das Los der politischen Häftlinge kümmern» (Max Huber), bitter enttäuscht wurde. Auf eine entsprechende Anfrage hin wurde das Schwedische Rote Kreuz im Oktober 1933 mit einem die Opfer geradezu verhöhnenden Antwortschreiben des DRK-Präsidenten über die angeblich vorbildlichen, ja idyllischen Zustände in den Konzentrationslagern abgespeist: «Für die Masse deraus proletarischem Milieu stammenden Personen dürfte rein materiell der Lebensstandard sogar höher sein, als sie ihn im Privatleben gewohnt waren.» Und kein Wunder schließlich, dass die sukzessive Umformung des Roten Kreuzes zu einem bloßen «nationalsozialistischen Sanitätskorps» von weiten Kreisen innerhalb der Organisation, die der auch satzungsmäßigen Aufwertung der DRK-Wohlfahrtsarbeit während der Weimarer Republik schon immer ablehnend gegenüberstanden, durchaus mit Wohlwollen aufgenommen wurde. Insbesondere viele der etwa 130.000 Mitglieder der DRK-Sanitätskolonnen versprachen sich hierdurch die lang ersehnte militärische Aufwertung ihrer Arbeit. Die Rückführung der Rotkreuzarbeit auf ihr ursprüngliches, rein kriegsvorbereitendes und
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