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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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daran jedoch ebenso wenig. Weitere Forschungen sind vonnöten, werden sich allerdings angesichts einer sehr lückenhaften Aktenlage als schwierig erweisen. Von einer Direktive wie derjenigen, wonach das DRK im sogenannten «Reichsprotektorat Böhmen und Mähren» die Deutschen nicht nur in ihrem «völkischen Kampf um Blut und Boden» unterstütze, sondern sich auch als «Vermittler rassepolitischer und erbgesundheitlicher Grundsätze» verstehe – so der stellvertretende DRK-Landesführer Dr. Plato 1940/41 –, hin zu einer direkten Verstrickung Einzelner oder auch ganzer Organisationsteile in die Gewaltverbrechen war es jedenfalls kein weiter Weg. Der Historiker Hans Mommsen hat das Verhalten des DRK im «Dritten Reich» denn auch als insgesamt «kläglich» bezeichnet. Dem soll hier nicht widersprochen werden.
    Im September 1945 erklärte die sowjetische Besatzungsmacht mit Wirkung für ihren Einflussbereich die DRK-Zentralorganisation wegen Verstrickung in das nationalsozialistische Unrechtsregime für aufgelöst. Frankreich schloss sich dieser Wertung an, Großbritannien und die Vereinigten Staaten haben ihr jedenfalls nicht widersprochen. Auch dies eine ohne Weiteres nachvollziehbare Sicht der Dinge.
    IKRK und NS-Staat. Weitab vom Geschehen in Deutschland, in der Villa Moynier unmittelbar an den Ufern des Genfer Sees (seit 1933 Sitz des Komitees), aber auch bei der Rotkreuzliga in Paris, stellten sich angesichts der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft andere, nicht minder drängende Fragen. Stets gut informiert, war man ohne Zweifel besorgt über die Lage in Deutschland – aber auch über die Zukunft der Rotkreuzbewegung. Aber was war konkret zu tun? Natürlich verstieß das DRK beim rassenideologisch motivierten Ausschluss seiner jüdischen Mitglieder ganz offen gegen Punkt 8 der Aufnahmebedingungen für nationale Gesellschaften (Neutralitätsprinzip). Das IKRK hätte ihm deshalb theoretisch die Anerkennung entziehen können. Hätte zumindest eine entsprechende Drohkulisse das NS-Regime zu Beginn seiner noch nicht umfassend konsolidierten Herrschaft beeindrucken können oder hätte eine derartige Intervention nicht vielmehr ganz im Gegenteil das Ende der nationalen Rotkreuzgesellschaft in Deutschland bedeutet oder zumindest dessen Austritt aus dem internationalen Verbund bewirkt? Und hätte nicht in der Folge ein ähnlicher Schritt durch die gleichgeschalteten Gesellschaften in der zunehmenden Zahl anderer totalitärer Staaten gedroht? «Die strenge Anwendung des liberalen Prinzips der Aufnahme aller», so Max Huber in einem Brief an den damaligen Präsidenten der Liga, Graf Bonabes de Rougé, würde «fast unausweichlich zur Auflösung des universellen Roten Kreuzes führen». Dies aber «wäre ein viel größeres Unglück als die elastische Auslegung eines Prinzips, das in der Genfer Konvention selbst nicht verankert ist». In der Tat war es diese Sorge um die Einheit und Universalität der Bewegung, die das IKRK und seinen Präsidenten in dieser, aber auch in anderen Fragen (etwa betreffend die politischen Häftlinge und später auch die Vernichtungslager) zu seiner vielfach kritisierten äußerst zurückhaltenden Reaktion bewogen. Aber musste die stillschweigende Hinnahme der antisemitischen Rassenpolitik, sogar was die Binnenstruktur der Rotkreuzorganisation selbst anging, wirklich so weit gehen, dass der IKRK-Sekretär Sidney Brown am 30. September 1933 einem unmittelbar betroffenen jüdischen Petenten ganz offiziell mitteilte, dass es «zu manchenZeiten ratsamer ist, dass Personen, die gewissen völkischen, politischen oder anderen Gruppen angehören, nicht in den lokalen Sektionen des Roten Kreuzes vertreten sind»? Carl Jacob Burckhardt, Professor der Geschichte in Zürich, IKRK-Mitglied und dessen nachmaliger Präsident (seit Anfang 1945), fällt in ebenjener Zeit durch kaum verhohlene antisemitische Äußerungen auf. Wörtlich schreibt er am 1. Juni 1933 an seinen Freund Baron von Andrian, der ihn zuvor für die Gefahr des Nazismus zu sensibilisieren versucht hatte:
    «Endlich halte ich daran fest, dass die Juden eine Schuld trifft und da sie das Volk par excellence sind, das den Begriff von Schuld und Sühne ausprägte, so verstehen ihre ehrlichen Vertreter auch sehr gut, wofür sie diesmal getroffen wurden. Ich habe sehr superiore Juden gekannt, sittlich hochstehende, reine Menschen, dies aber hindert mich nicht daran die Kultur, die beispielsweise das Berliner Judentum der letzten 30

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