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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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Italienische Rote Kreuz verzichtete wegen ausreichender eigener Mittel, das erst wenige Wochen zuvor gegründete und von Genf anerkannte Abessinische Rote Kreuz hingegen nahm medizinische und finanzielle Hilfe in erheblichem Umfang dankbar an. Insgesamt 28 nationale Rotkreuzgesellschaften folgten einem entsprechenden Appell aus Genf, sechs von ihnen (Ägypten, England, Finnland, Holland, Norwegen und Schweden) entsandten sogar eigene Ambulanzen samt Fahrzeugen und Sanitätsflugzeugen nach Äthiopien. Der Solidaritätsverbund Rotes Kreuz bewährte sich hier erstmals in großem Maßstab in einem außereuropäischen Konflikt. Zwar hatte das Internationale Komitee auch im seit 1932 andauernden Chinesisch-Japanischen Krieg durch einige wenige Delegierte Präsenz gezeigt. In einem kulturell und politisch schwierigen, ja angesichts der Dimensionen eines Konflikts, in dem sich über drei Millionen Soldaten auf einem Gebiet halb so groß wie Europa gegenüberstanden, letztlich hoffnungslosen Umfeld war dieser Mission allerdings kein großer Erfolg beschieden.
    In eine diplomatisch schwierige Situation geriet das Komitee durch seine Entscheidung, dem Völkerbund zwecks Prüfung möglicher Sanktionen die Aushändigung der von Marcel Junod sowie Mitarbeitern der schwedischen Ambulanz angefertigten Augenzeugenberichte über die italienischen Giftgasangriffe zu verweigern. In einem Schreiben vom 24. April 1936 an den Generalsekretär des Völkerbundes rechtfertigte Max Huber diesen Schritt, der auch in der Öffentlichkeit weitgehend auf Unverständnis traf, wie folgt:
    «Das Ziel des IKRK ist ausschließlich humanitärer und unpolitischer Natur: Das Komitee muss seine Anstrengungen in erster Linie daraufrichten, die Leiden der Kriegsopfer zu lindern. Um dieses Ziel zu erreichen, muss es peinlich genau darauf bedacht sein, vertrauliche Beziehungen zu den Konfliktparteien zu unterhalten.»
    Unzweifelhaft war und ist die Vertraulichkeit der Delegiertenberichte eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Konfliktparteien überhaupt dazu bereit sind, die Präsenz des Roten Kreuzes an und unmittelbar hinter den Frontlinien zu dulden. Vor dem Hintergrund der ungleich größeren Gräueltaten, die während und im Schatten des Zweiten Weltkrieges begangen worden sind und die dem IKRK teilweise vertraulich zur Kenntnis gelangten, verwundert es dennoch natürlich nicht, dass diese bis heute aufrechterhaltene, weitgehend kompromisslose Vertraulichkeitspolitik immer wieder Anlass zu erheblichen Irritationen, ja teilweise harscher Kritik gibt. Dem Vorwurf, durch Schweigen Mitverantwortung auf sich zu laden, muss sich das Internationale Komitee stellen. Vertrauensbildung ist ein unverzichtbares Mittel zur Erfüllung des humanitären Zweckes. Aber stets mag dieser zweifellos gute Zweck dieses Mittel sicher nicht zu heiligen: Hier im Einzelfall die nicht nur rechtlich, sondern vor allem auch moralisch richtigen Grenzlinien zu definieren, das gehört zweifellos zu den schwierigsten und verantwortungsvollsten Aufgaben der Mitglieder des Komitees.
    Eine für die Rotkreuzbewegung besonders schmerzhafte Erfahrung der kriegerischen Auseinandersetzungen der 1930er Jahre war die Erkenntnis, dass eine Reihe nationaler Gesellschaften nach dem kurzen kosmopolitischen Frühling des vorangegangenen Jahrzehnts erneut zu weitgehend kritiklosen Sprachrohren der zunehmend aggressiv-expansionistischen Politik ihrer Heimatstaaten geworden waren. Die polemischen Auseinandersetzungen zwischen Italienischem und Abessinischem Roten Kreuz sind nur ein wenn auch besonders deutliches Beispiel dafür, wie sehr antidemokratisch-totalitäres Denken und Handeln die gemeinsamen humanitären Ideale in den Hintergrund zu drängen drohte. Verschiedene nationale Komponenten der Rotkreuzbewegung erwiesen sich damit erneut als unwillig und unfähig, sich einem unheilvollen politischen Zeitgeistzu entziehen, der im nationalsozialistischen Größen- und Rassenwahn münden sollte.
5. Das Rote Kreuz und der Nationalsozialismus
    Abschied vom Humanitätsideal. Es muss eine außergewöhnlich dramatische Sitzung gewesen sein an diesem 21. September 1933 am Sitz des Internationalen Komitees in Genf. Sichtlich betroffen, vielleicht sogar bereits ein wenig resignierend, resümierte dessen Präsident die Lage wie folgt: «… es besteht eine Verfinsterung des humanitären Gefühls. Wir leben in einer Atmosphäre, die der Grundidee des Roten Kreuzes wenig günstig ist. Viele nationale

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