Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
Vom Netzwerk:
hinunter ins Gewahrsam und hoffte, Drömmer wäre inzwischen etwas nüchterner.
    Der Schiffer saß auf der Pritsche und hatte den Kopf in seine Hände gestützt. Borghoff setzte sich auf einen Hocker in die Zelle und wartete, bis er aufsah. Drömmer war riesig, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Schiffern, die Borghoff kannte, schien er eher fett als muskulös. Das Gesicht war das eines Kindes, glatt und rosig, trotz des heftigen Katers, den er hatte. Es gab nur wenige Bartstoppeln, und seine großen Augen, die dem Gesicht einen permanent staunenden Ausdruck verliehen, erinnerten noch mehr an ein übergroßes Kind.
    Doch Borghoff wusste, dass der Eindruck täuschte. Drömmer, der sich bei seiner Festnahme heftig gewehrt hatte, war weder weichlich noch friedlich. Borghoff hatte einige wie ihn unter seinen Soldaten gehabt, er wusste, wenn sie in Rage kamen, waren sie brandgefährlich.
    «Wie geht es Ihnen?», fragte Borghoff. Er wusste, er war hier der Einzige, der Drömmer siezte.
    «Eck häv Koppin.» Er sah Borghoffs ratloses Gesicht, deutete auf seinen Kopf und kniff die Augen zusammen. Borghoff verstand. Das waren sowohl die Nachwirkungen des Alkohols als auch die des Schlages, den er über den Kopf bekommen hatte, um ihn endlich zu überwältigen.
    «Sie wissen, warum Sie hier sind?»
    Drömmer nickte. «Ihr seid achte me her seid de laste Winter. Wegen de Deerns.» Er sah Borghoff an. «Eck häv de Deerns nix gedohn, dat kanze mey göve.»
    Borghoff fiel es immer noch schwer, das Ruhrorter Platt zu verstehen. «Aber Sie waren öfter bei ihnen, um Unzucht mit ihnen zu treiben.»
    «Eck häv good davör betalt.»
    «Bezahlt. Die beiden waren doch noch Kinder …» Borghoff beobachtete ihn genau.
    «Wenn die de Beene uteinander doon, sind die all egal.»
    Er sah, dass Borghoff ihn nicht verstanden hatte, und wiederholte es stockend auf Hochdeutsch. «Wenn sie die Beine breit machen, sind sie alle gleich.»
    «Und die Grete?»
    «Wat förn Gret?»
    «Die bei Martha gearbeitet hat. Haben Sie die auch besucht?»
    Drömmer nickte. «En lang Tied her. Äwer dann hät die nur noch feine Herrn bedient, on da wollt se mey nid mehr. Un als dä Freier ör die Visage ingeschnede hat, da wollt eck se nie mehr.» Er richtete sich auf und lehnte sich an die Wand. «Ich weiß, dat se alle öber mich lache, aber mein Geld nehmen se gerne. Und do brauch ich keine nehmen, die hässlich is.» Er grinste. «Awer an sich is dat egal, wenn se de Bene uteinander doon, sind die alle gleich.»
    «Erinnern Sie sich, wo Sie am Neujahrstag waren?»
    Drömmer dachte nach. «Weiß ich nich. En de Oldstadt. Oder op dä Kahn?»
    Nichts schien ihn aus seiner stoischen Ruhe zu bringen. «Dat Gret hab ich ock nich getötet. Ich hab keine umgebracht. Verklopt ja! Ich hab se verklopt, wenn se mich ausgelacht haben.»
    «Welche Frauen haben Sie denn verprügelt?»
    «Och, en paar – Ich weiß die Namen nid mehr. Ich … ich hab mich zusammengerissen, weil Martha mich nid mehr int Huss gelassen hat, äwer dann durfte ich doch wieder hingehen. Wann kann ich hier raus? Ich bin wieder nüchtern.»
    «Glauben Sie, man hat Sie wegen Trunkenheit eingesperrt, Herr Drömmer?»
    «Watt denn sonst?»
    «Wegen der Morde. An den beiden Mädchen und dem Kind der einen, der Grete, der Toten von der Woy und der Hure in der Altstadt neulich.»
    Drömmer sah ihn groß an.
    «Sie sagten doch, dass wir Sie gejagt haben deswegen», setzte Borghoff nach. «Darum haben Sie sich doch versteckt.»
    «Min Vadder sät, ich soll mich verstecken. Äwer ich hab nix gedonn. Kann ich nau gehen? Bitte!»
    Die Kinderaugen blickten Borghoff flehend an.
    «Das muss der Staatsanwalt entscheiden», sagte der knapp, stand auf und schob den Hocker wieder durch die Tür.
    Als er den Raum verließ, heulte Drömmer wie ein trotziger kleiner Junge auf. Und dann begann er zu toben.
    «Hat er gestanden?», fragte Ebel.
    Borghoff schüttelte den Kopf. «Er versteht nicht mal, warum er hier ist. Und jetzt nimmt er die Zelle auseinander.»

    Der Staatsanwalt hatte Drömmer nach Duisburg bringen lassen, und langsam ging alles bei der Ruhrorter Polizei wieder seinen Gang. Auch wenn Bürgermeister Weinhagen sich zunächst gewehrt hatte, der Staatsanwalt hatte bei der Bezirksregierung die Anstellung zweier weiterer Polizeidiener durchgesetzt, sodass die Fremdenverwaltung jetzt besser arbeiten konnte. Borghoff war ihm von Herzen dankbar, denn er verabscheute nichts mehr, als bei dieser Aufgabe

Weitere Kostenlose Bücher