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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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gesichert war. Hier war kein Durchkommen. Sie rüttelte an den Schlössern, versuchte sogar mit einer Haarnadel, sie zu öffnen, aber es gelang ihr nicht. Dann entschied sie sich anders und ging zurück. Vorn nahm sie die andere Abzweigung.
    Hatte sie bisher noch eine Ahnung gehabt, in welcher Richtung sie unterwegs war – der gerade Gang, der auf das Tor zugeführt hatte, da war sie sicher, das war der Ausgang an der Ruhrmündung –, jetzt verlor sie jegliche Orientierung. Denn dieser Weg hatte Knicke und Kurven. Zuletzt stieg er stetig an. Langsam machte sich die Verzweiflung wieder in ihr breit. Was, wenn sie auch dort nicht herauskam? Und ihre Kerze würde auch nicht mehr lange brennen.
    Es dauerte eine Weile, bis sie vor sich plötzlich Licht bemerkte. Der enge Gang weitete sich zu einem kleinen Raum, an dessen Ende mehrere Stufen hinaufführten. Es musste schon nach Sonnenaufgang sein, denn das Licht waren Sonnenstrahlen, die durch ein Gestrüpp vor dem Gitter hindurchschienen.
    Sie stieg die Stufen hinauf und sah verzweifelt auf das Gitter. Auch hier hing ein Schloss. Durch das Gestrüpp konnte sie nicht erkennen, wo sie war. Doch dann begann die Glocke von St. Maximilian, der katholischen Kirche, zu läuten – laut, sie musste ganz in der Nähe sein. Selten hatte sich Lina so gefreut, diese Glocke zu hören. Wenigstens gab es die Möglichkeit, dass sie hier jemand hören würde, wenn sie riefe. Sie wollte sich gegen das Gitter lehnen, doch da fiel sie beinahe hin: Ganz leicht ging das kleine Tor auf.
    Lina konnte es gar nicht fassen. Sie war gerettet! Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie unablässig lachte. Sie raffte ihre Röcke zusammen und zwängte sich durch das Gestrüpp. Die Sonne war gerade ganz aufgegangen, und auch der Vollmond stand noch blass am Himmel. Was bis dahin von ihrem Kleid noch heil geblieben war, hatte sie nun endgültig zerrissen. Doch das war ihr völlig egal. Sie hätte vor Freude springen können, wenn die Müdigkeit und ihre steife Hüfte das zugelassen hätten.
    Als sie gerade die letzten Blätter und Dornen aus ihrem Rock gezupft hatte, hörte sie eine Stimme.
    «Guten Morgen. Sind Sie nicht Fräulein Kaufmeister?»
    Vor ihr stand der Pater, den sie seit der Silvesterfeier bei Baron von Sannberg nicht mehr gesehen hatte.
    Lina wurde klar, welchen Anblick sie bieten musste: die Kleider zerrissen, die Haare halb gelöst, und ihr Gesicht war sicher schmutzig. «Ja. Pater …»
    «Johannes. Geht es Ihnen gut?»
    Sie sah verlegen auf den Boden. «Einerseits ja, denn ich habe mich gerade aus einer schlimmen Lage befreit. Andererseits …»
    Sie sah auf und blickte in sein ernstes Gesicht. Plötzlich stieg alles wieder in ihr hoch, was sie in der Nacht erlebt hatte. Sie wankte, fühlte sich der Ohnmacht nah. Er griff ihren Arm. «Kommen Sie mit ins Haus.»
    Langsam führte er Lina ins Pfarrhaus, direkt in die Küche. Er wartete, bis sie sich hingesetzt hatte und gab ihr dann ein Glas Wasser. Sie trank es gierig.
    «Wollen Sie mir erzählen, was Sie erlebt haben?», fragte der Priester.
    Schlagartig wurde Lina klar, wie ungeheuerlich ihre Erzählung auf jemanden wirken musste, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Und noch dazu ein katholischer Priester! Aber vielleicht war ja ein katholischer Priester genau der Richtige, um über solche Dinge zu sprechen. Jedenfalls hätte sie nicht gewagt, Pfarrer Wortmann ihre Erlebnisse anzuvertrauen.
    «Ich bin Protestantin», sagte sie leise.
    Der sonst so düstere Pater wirkte für einen Moment amüsiert. «Und das bedeutet, dass Sie es mir nicht erzählen dürfen?»
    «Was? Nein, so hatte ich das nicht gemeint. Ich weiß nicht sehr viel über die Katholiken, aber ich habe einiges über die Beichte gehört. Dass der Priester nicht über das sprechen darf, was ihm anvertraut wurde.» Sie sah ihm direkt in die Augen. «Würde das auch für mich gelten? Für eine Protestantin?»
    «Ich könnte Ihnen mein Schweigen zusichern, falls es Ihnen genügt», sagte er vorsichtig.
    «Ich würde lieber beichten, wenn ich darf.»
    Er seufzte. «Ich kann ja einfach vergessen, dass Sie mir gesagt haben, nicht dem rechten Glauben anzugehören.» Er stand auf. «Dann lassen Sie uns hinüber in die Kirche gehen, dort sind wir ungestört. Gleich wird die Haushälterin des Pfarrers aufstehen und ihren morgendlichen Arbeiten nachgehen wollen.»
    Sie gingen hinüber in die kleine Kirche. Zu Linas Erleichterung forderte er sie nicht auf, in den

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