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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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erklärte sie dem erstaunten Mädchen. «Ich ziehe mich nur rasch um und gehe dann zurück zu den Wienholds.»
    «Ich bringe Ihnen frisches Wasser hinauf.»
    Eine knappe halbe Stunde später verließ Lina ihre Wohnung frisch gewaschen in einem Kleid, das dem zerrissenen sehr ähnlich sah. Auf der Treppe stieß sie fast mit Commissar Borghoff zusammen. Einen Moment lang dachte sie daran, ihm zu erzählen, was passiert war, doch dann erinnerte sie sich an die Warnung des Paters. Aber etwas anderes fiel ihr ein. «Herr Commissar, darf ich Sie um Ihre Hilfe bitten?»
    «Sicher.»
    «Sie erinnern sich an das Hausmädchen im Hause meines Bruders, die Kleine mit den braunen Locken?»
    Er lächelte. «Die es immer so eilig hatte? Natürlich, sie hieß …»
    «Finchen. Eigentlich Josephine Wangenmüller.» Lina blickte zu Boden und suchte nach Worten. «Sie … sie hat sich in Schwierigkeiten gebracht. Und meine Schwägerin hat sie daraufhin hinausgeworfen.»
    «Ein Kind?»
    Lina nickte. «Ich fürchte, ja. Meine Schwester Guste wollte ihr ein wenig Geld zur Unterstützung anbieten, aber sie ist nicht zurück zu ihrer Familie gegangen. Wahrscheinlich ist sie noch irgendwo hier in Ruhrort. Und auch wenn der Schiffer gefasst ist …»
    Borghoff nickte. «Sie möchten, dass ich sie suche?»
    «Ja, bitte. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich ihr helfen kann, aber ich möchte nicht, dass sie Hafenhure wird – oder ein Opfer des Mörders.»
    «Ich kümmere mich darum, Lina. Wenn sie noch hier ist, werde ich sie finden. Frühstücken Sie mit uns?»
    «Nein. Ich musste hier nur etwas holen, das ich vergessen hatte. Ich bin auf dem Weg zurück zu den Wienholds und komme erst nächste Woche wieder her.» Der Gedanke, so viele Tage mit diesen unheimlichen Menschen unter einem Dach verbringen zu müssen, stimmte sie nicht gerade fröhlich.
    «Dann bis bald. Sollte ich Ihr Finchen eher finden, schicke ich Ihnen eine Nachricht.»
    «Vielen Dank!»

    Jeder im Hause Wienhold, der ihre neuerliche Ankunft mitbekam, schien ihre Erklärung, die Schwester besucht und dann plötzlich so von der Müdigkeit überrascht worden zu sein, dass sie dort übernachtet hatte, zu akzeptieren. Trotzdem lebte Lina in ständiger Angst: Würde Anno sie verraten? Sie bekam ihn nicht zu sehen, obwohl sie am späten Nachmittag Jutta und Annette im Damensalon verließ und sein Zimmer aufsuchte, das sie wieder unverschlossen und leer vorfand. Sie glaubte nicht, dass er erneut entflohen war, denn Jutta machte keinen besorgten oder beunruhigten Eindruck.
    Begegnungen mit Reppenhagen versuchte sie möglichst zu vermeiden. Einmal konnte sie ihm jedoch nicht ausweichen. Er hatte Amor und Psyche vollendet, und nun stand es im großen Salon.
    «Es ist großartig geworden», sagte Lina, als der Maler es ihr zeigte. «Oder finden Sie wirklich, dass das Schund ist, den Sie gemalt haben?»
    Reppenhagen sah sie erstaunt an. «Schund?», fragte er.
    «Nun, Sie selbst haben es so bezeichnet.»
    «Ich …» Er lächelte wieder dieses überaus gewinnende Lächeln. «Ich male, was in meinem Herzen ist, und ich hoffe, dass man das meinen Bildern ansieht.»
    «Durchaus», sagte Lina leise.
    Sie hatte kaum glauben wollen, dass sie es war, dort auf dem Bild. Das Gemälde anzusehen, war etwas anderes, als in den Spiegel zu blicken – es war sogar anders, als ihrer Zwillingsschwester ins Gesicht zu sehen. Zum ersten Mal konnte sie ihr Gesicht durch die Augen eines anderen wahrnehmen. Ich bin wirklich eitel , dachte sie. Doch so geschmeichelt sie auch war, rief sie sich doch immer wieder ins Gedächtnis, dass dieser liebenswürdige Mann möglicherweise ein Besessener war, dass irgendwo in ihm die unheimliche Priesterin lauerte.
    Das Erschreckendste war für Lina, dass alles im Hause Wienhold so völlig unberührt schien von den Geschehnissen im Schmuggelkeller. Einzig Annette schien ihr noch ein wenig arroganter, wenn sie dieses Wort auf ein Kind anwenden wollte. War sie stolz darauf, dass sie das Hündchen getötet hatte?

    Die Gäste, die Lina kaum kennengelernt hatte, waren wieder abgereist, es wurde langsam ruhiger im Haus. Lina war gut vorangekommen mit ihren Aufträgen, aber sie hatte sich mehrfach selbst ermahnen müssen, über ihrem Tempo die Sorgfalt nicht zu vernachlässigen. Doch sie wollte, sie musste das Haus so schnell wie möglich verlassen.
    Einen Tag, bevor sie das letzte Kleid vollendete, das prächtige Ballkleid für Jutta, das zwar einer Pariser Vorlage

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