Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
verstanden hatte. «Mina hofft, etwas Klavierunterricht geben zu können. Aber sie muss ein paar Schulden bezahlen. Und die Trennung von Justus drückt sie sehr.»
«Georg hat immer gesagt, diese Heirat war een ongeluk», warf Aaltje ein.
«Ach, halten Sie doch den Mund.» Linas Umgangston der Schwägerin gegenüber war selten freundlich, aber doch höflicher als jetzt in der Sorge um ihren Zwilling.
Mina, die immer mit dem Kopf durch die Wand wollte, hatte die Trauer des Vaters um die Mutter ausgenutzt, um blutjung den Assessor Justus Bleibtreu zu heiraten, den Georg, dessen politische Gesinnung damals noch eine ganz andere gewesen war, mit ins Haus gebracht hatte. Während Georg sich zum königstreuen Preußen gewandelt hatte, waren Bleibtreus Ansichten immer radikaler geworden. Aber Lina wusste, dass Mina ihren Mann abgöttisch liebte.
«Und wieso seid ihr damit zu Georg gekommen, statt ihr einfach Geld zu schicken?»
«Weil wir der Meinung sind, dass sie in ihr Elternhaus zurückkehren sollte, wenn ihr Mann weg ist. Hier ist genug Platz, und sie braucht sich keine Sorgen um ihr Auskommen zu machen. Als Frau eines politischen Verbrechers …»
«Guste! Justus ist doch kein …»
Das strenge Gesicht der älteren Schwester wurde noch eine Spur härter. «Ich weiß, dass du mit Justus’ Ansichten sympathisierst, Lina, aber nach dem Gesetz ist er ein Landesverräter. Jedenfalls werden sie es so hinstellen. Mina sollte dann in Sicherheit sein.»
Finchen hatte den zweiten Stiefel geschnürt. «Danke», sagte Lina. «Hat der Junge in der Küche Suppe bekommen?»
Finchen nickte und wurde ein wenig rot. Der kleine Simon hatte ihr wohl gefallen.
«Komm mit.» Lina erhob sich von der Truhe und ging hinüber in die Bibliothek, wo sie sich an einem kleinen Sekretär einen Platz für die im Haushalt nötigen Schreibarbeiten eingerichtet hatte.
«Der Vater hat nach Ihnen gefragt», ließ sich Aaltje noch einmal vernehmen.
«Ich gehe nachher zu ihm», sagte Lina und schrieb den versprochenen Zettel für Simon. Sie drückte ihn Finchen in die Hand.
«Der ist für den Jungen.»
Dann ging sie Richtung Salon, die Schwester und die Schwägerin hinter sich.
«Lina, ich denke, das sollten die Männer unter sich …», warf Guste zaghaft ein, doch Lina hatte die Salontür schon weit geöffnet.
Georg und Bertram saßen sich am Kamin gegenüber. «Ich weiß gar nicht, was du willst, lieber Georg, wie jede Tochter hat Mina doch eine kleine Rente aus dem Vermögen der Mutter, das wird für ihren Unterhalt hier im Haus doch reichen …»
«Und ich setze den guten Ruf der Kaufmeisters aufs Spiel, wenn die Frau des Justus Bleibtreu …»
«Den du in dieses Haus gebracht hast, Bruder», sagte Lina mit Nachdruck. «Bertram, schreibe ihr, sie ist willkommen. Ich werde das Gästezimmer für sie herrichten, und die Jungen können in der freien Dienstbotenkammer unter dem Dach schlafen.»
«Lina, in meinem Haus bestimme immer noch ich …»
Lina funkelte ihren Bruder an. «In Vaters Haus bestimmt er, wer hier willkommen ist. Ich werde nachher mit ihm reden, und ich bin sicher, er wird meiner Meinung sein.»
Georg war aufgesprungen. Sein rundliches Gesicht lief rot an. Seine Frau schien sich hinter ihre Schwägerin ducken zu wollen. Lina lehnte sich auf ihr gesundes Bein zurück und schien zu wachsen. «Sie ist unsere Schwester, Georg. Und wenn sie uns braucht, dann sind wir für sie da. Wie kannst du dich erdreisten, sie des Hauses zu verweisen?»
«Sie hat recht, Georg», sagte Bertram leise. «Der Ruf der Familie würde weit mehr leiden, wenn sich Mina in Brüssel allein durchschlagen müsste.»
«Ihr werdet anders reden, wenn die Geheime Polizei erst einmal hier im Haus ist», zischte Georg. «Unseren Geschäftsfreunden wird das gar nicht gefallen.» Er sah in die entschlossenen Gesichter seiner Schwestern und seines Schwagers. «Nun gut. Wenn ihr es so wollt, dann lasst sie herkommen. Aber sagt nicht, dass ich euch nicht gewarnt hätte!» Damit verließ er den Salon, und Aaltje folgte ihm.
Auch Bertram stand auf und begrüßte Lina. «Bis hier in Ruhrort mal ein Polizist aus Düsseldorf oder gar Berlin auftaucht …», sagte er.
«Das weiß Georg auch. Aber er ist so geizig, dass ihm jeder Teller mehr in der Seele weh tut.» Nicht nur Georg, auch Lina konnte sehr zornig werden.
«Beruhige dich, Lina. Wenn es Probleme gibt mit dem Geld für Minas Einzug hier, dann sag Bescheid.»
Lina sah in Bertrams Gesicht mit
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