Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
Vom Netzwerk:
Personal. Und der Fleischer Jung gehörte zu der heimlichen Gemeinde. Sie schüttelte den Gedanken wieder ab. Was hätten die feinen Herrschaften davon, einem Fleischer seinen Konkurrenten vom Hals zu schaffen?
    Trotzdem nagte der Gedanke in ihr und spann sich weiter. Noch ein anderer war außer Gefecht gesetzt worden: Cornelius von Sannberg. An seiner Stelle war von Müller in das aussichtsreiche Geschäft eingestiegen. Was, wenn man von Sannbergs Melancholie etwas nachgeholfen hätte?

    Lina hatte lange mit sich gerungen, bis sie sich entschloss, noch einmal mit Pater Johannes zu reden. Sie hoffte zunächst, ihn einmal zufällig hinter der Kirche zu treffen wie damals, und wann immer sie Besorgungen machte, führte sie ihr Weg an St. Maximilian vorbei, doch sie hatte nie Glück. Schließlich entschied sie sich für einen «offiziellen» Besuch. Dazu legte sie etwas tiefschwarzen Stoff in ihren Korb.
    Pater Johannes wohnte im Pfarrhaus, und Lina ertappte sich dabei, wie sie sich umsah und hoffte, dass niemand die gute Protestantin Lina Kaufmeister den Hort des Papistentums in Ruhrort betreten sah.
    «Ich würde gern Pater Johannes sprechen», sagte sie der Haushälterin. «Er hatte mich um eine kleine Näharbeit gebeten.»
    Die Haushälterin missbilligte offensichtlich, dass Pater Johannes Näharbeiten von Ketzern ausführen ließ, und so stand Lina kurz darauf im Büro von Pfarrer Mancy höchstpersönlich.
    «Ich … ich sollte nur einen Riss in einer Soutane flicken», log sie. «Der Pater und ich haben uns auf der Silvesterfeier des Barons kennengelernt. Damals ist mein Vater gestorben, und manchmal tut es gut, mit einem … einem Fremden darüber zu reden.» Lina war selbst ganz verwundert über ihre Dreistigkeit. «Auch wenn er …»
    «Ein Katholik ist?» Mancys Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, und dann ließ er ein dröhnendes Lachen hören. «Nun, mein evangelischer Amtsbruder Wortmann wird es sicher nicht gern sehen, wenn eines seiner Schäfchen geistlichen Beistand beim Feind sucht.»
    «Immerhin glauben wir an denselben Gott», stammelte Lina.
    «Ja, das tun wir wohl», sagte Mancy. «Und das wissen auch Pfarrer Wortmann und ich, wenn wir dienstags gemeinsam Karten spielen.»
    Er sah Linas verblüfftes Gesicht und lachte noch einmal los. «Sie müssen meine liebe Katharine verstehen, wenn sie so misstrauisch ist, aber Pater Johannes ist unserer Obhut anbefohlen, und in letzter Zeit ging es ihm nicht sehr gut.»
    «Oh, das tut mir leid, davon wusste ich nichts.»
    «Es ist eine Art … eine Art fiebrige Geschäftigkeit, die mir doch etwas ungesund scheint. Er hat sich viele Bücher aus Rom kommen lassen und arbeitet unablässig, er korrespondiert mit vielen Leuten und verlässt kaum noch sein Zimmer. Uns erscheint das sehr von Übel, zumal er in unserer Gesellschaft oft sehr abwesend wirkt. Wir fürchten, er könnte wieder zusammenbrechen wie schon einmal.»
    Jetzt war es an Lina zu lächeln. «Und Sie möchten mich vorwarnen?»
    «Ja. Wenn es so weitergeht mit ihm, könnte das Schlimmste eintreten.» Er stand auf. «Aber eine harmlose Näharbeit, denke ich, kann ihm kaum schaden, eher im Gegenteil. Es bringt wieder ein wenig vom wahren, einfachen Leben in seine Welt.»
    Der Pfarrer brachte sie selbst in den ersten Stock und klopfte an eine Zimmertür. Als er sie öffnete, saß Pater Johannes an einem Schreibtisch, auf dem sich Bücher und Schriftstücke türmten. Es schien ihr, als habe er auf das Klopfen hin schnell ein Papier, an dem er schrieb, umgedreht.
    «Ich habe einen Gast für Sie. Vielleicht bringt Fräulein Kaufmeister Sie eine Weile auf andere Gedanken.»
    Das nun gerade nicht , dachte Lina schuldbewusst, war Mancy aber für seine Vorbereitung dankbar, denn der Pater machte auf sie einen Eindruck, für den das Wort «irr» noch milde gewählt war. Er war sehr blass, wie nach einer langen Krankheit, bis auf hektische rote Flecken auf den Wangen. Die Augen waren blutunterlaufen, als habe er nächtelang bei schlechtem Licht gelesen, die Haare standen wirr vom Kopf, und er war unrasiert.
    Als der Pfarrer sich verabschiedet hatte, fragte er: «Gibt es etwas Neues?»
    «Zunächst», sagte Lina, «falls Sie jemand fragt, ich habe Ihnen eine Soutane ausgebessert.» Sie deutete auf den Stoff. «Ich sah keine andere Möglichkeit, Sie zu treffen.»
    Dann begann sie zu erzählen, vor allem von Anno, aber auch von ihren Vermutungen bezüglich des Metzgers und Baron von Sannbergs.
    Pater Johannes

Weitere Kostenlose Bücher