Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
gesamte Phoenix-Belegschaft tummeln, mal ganz abgesehen von den Meierk’schen Hähnen. Schlägereien werden nicht ausbleiben. Auf die Bürgerschützen können wir dann nicht zählen.»
Mit den «Meierk’schen Hähnen» meinte Weinhagen die streitlustigen Meidericher Bauern, mit denen es immer wieder Probleme gab.
«Ich werde mich darum kümmern», versprach Borghoff, bevor er einen heftigen Hustenanfall bekam.
«Ich denke, Sie haben für heute genug getan, mein Lieber. Jetzt halten Sie wieder Ruhe, bis Sie ganz gesund sind.»
7. Kapitel
Manchmal machte sich Lina schon Gedanken darüber, wie ihr Leben so einfach weiterlaufen konnte nach jener schrecklichen Nacht im Schmuggelkeller und der Begegnung mit jenem Wesen, das sich Anno nannte oder Adrian oder wie auch immer. Einerseits machte sie sich Sorgen um den Jungen, hatte aber andererseits auch nicht das Gefühl, dass ihm etwas passieren konnte, wenn er sich einen Körper mit Annette teilte, der Hoffnungsträgerin des Ordens. So viel glaubte sie inzwischen zu verstehen, dass man in Annette ein Wesen wie Reppenhagen heranziehen wollte, eine weitere Priesterin. Aber weder Anno noch Adrian schien nach dem Geschmack des Ordens zu sein.
Trotz dieser Sorgen arbeitete Lina viel und hart, genoss aber nach wie vor ihre bescheidene Freiheit in den eigenen vier Wänden. Nicht zuletzt durch Jutta Wienholds Damenkränzchen vergrößerte sich ihre Kundschaft, auch wenn sie selten solch große Aufträge bekam wie die aus dem Freundeskreis des Barons. Doch sie konnte schon feststellen, dass die ortsansässigen Kleidermacher sie schief ansahen.
Auf dem Rathaus hatte sie ihr Gewerbe registrieren lassen, nachdem sich abzeichnete, dass sie nicht nur die Miete zahlen, sondern sich auch die eine oder andere Annehmlichkeit leisten konnte – und Steuern natürlich. Borghoff hatte ihr gesagt, wann der Bürgermeister, der die Eintragung vielleicht verhindert hätte, nicht im Hause war.
Sie vermisste die Nachmittage mit Commissar Borghoff, obwohl sie stets ein schlechtes Gewissen hatte, dass sie ihm weder etwas über den Schmuggelkeller noch über ihre Gespräche mit Pater Johannes und Anno erzählt hatte. Drömmer wurde angeklagt, hatte er ihr erzählt. Seit seiner Festnahme war kein Mord mehr in Ruhrort geschehen – zumindest hatte man kein Opfer gefunden, und es wurde auch niemand vermisst. Vielleicht hatten sie doch den Richtigen verhaftet und die Rituale im Schmuggelkeller hatten nichts damit zu tun.
Cornelius von Sannberg war gleich nach ihrem Besuch tatsächlich auf sein Gut zurückgekehrt. Ihre Nichten, die mit seinen Töchtern in Briefkontakt standen, hatten ihr erzählt, dass beide auf die Nachricht hin, die Lina ihnen hatte zukommen lassen, in die Grafschaft zurückgekehrt waren, um ihrem Vater beizustehen, und nun berichteten, dass die Melancholie gewichen und er fast wieder der Alte sei. Er hatte sogar vorsichtig bei Georg und Bertram vorgefühlt, ob das Geschäft mit der Gießerei vielleicht doch noch zu machen sei, aber die beiden wollten ihren neuen Partner von Müller nicht vor den Kopf stoßen.
Lina kam nicht oft aus dem Haus, es sei denn, sie besuchte eine Kundin. So war ihr lange gar nicht aufgefallen, dass der Laden des Fleischers Willmuth leer stand.
«Sie sind fortgezogen», erzählte Clara. «Wenn sie jetzt nicht verkauft hätten, wäre der Laden zwangsversteigert worden.»
«Wer hat den Laden gekauft?»
«Na, der Metzger Jung. Er wird nächste Woche eröffnen. Das Ladenlokal am Markt ist sehr viel besser als sein altes.»
Lina dachte an die traurige Frau Willmuth und daran, wie gut deren Geschäft immer gelaufen war. Man hatte oft Schlange stehen müssen vor dem Laden. Jetzt standen die Schlangen beim Metzger Jung, und der hatte in der Schlange im Schmuggelkeller gestanden und seinen Finger in das Hundeblut getaucht.
«Antonie», fragte sie das Mädchen, als es mittags frisches Waschwasser in ihr Zimmer brachte. «Weißt du, wer als Erstes erzählt hat, dass die Vergiftung der Schiffer damals von Willmuths Wurst herrührte?»
«Ja, daran erinnere ich mich genau», sagte Antonie. «Das war eines der Mädchen der Wienholds. Und das von den von Müllers hatte es auch irgendwo gehört.» Sie dachte kurz nach. «Ich glaube, das Mädchen von Dr. Erbling sagte, der Doktor hätte es herausgefunden.»
Dass ich daran nicht gedacht habe, als ich die Geschichte hörte , dachte Lina, als Antonie gegangen war. Wienhold, von Müller, Frau Erbling und ihr
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