Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
und auch die Abschrift.
«Wann bekommen wir das Geld?», fragte Bertram.
«Ich werde meinen Bankier noch heute anweisen, die Obligationen einzulösen. In ein paar Tagen ist alles erledigt», sagte Lina.
«Wir brauchen das Geld schon morgen», sagte Bertram. «Wir wollten von Müller noch ein paar Tage hinhalten, aber eigentlich will er unser Geld morgen sehen.»
Lina sah ihn erstaunt an. «Ihr habt zwei Möglichkeiten», sagte sie dann. «Ihr überredet meinen Bankier, den Transfer schneller abzuwickeln – oder ihr geht doch zu Cornelius von Sannberg. Es ist ohnehin besser, wenn ihr euch wieder mit ihm zusammentut, denn von Müller könnte nochmals versuchen, euch aus dem Geschäft zu drängen. Das ist sein übliches Vorgehen.»
«Woher weißt du das?», fragte Georg.
«Ich weiß noch viel mehr über von Müller und diesen Orden. Dinge, die ihr mir nicht glauben würdet. Ich kann euch nur so viel sagen: Haltet euch fern davon, wenn euch etwas an der Familienfirma und eurem Seelenfrieden liegt.» Sie griff ein Exemplar des Vertrages und verstaute es wieder in ihrer Tasche, dann stand sie auf.
«Was weißt du schon.» Georg hatte immer noch die mürrische Stimme eines beleidigten kleinen Jungen.
Bertram brachte sie zur Tür. «Danke für den Rat!», sagte er. «Ich werde dafür sorgen, dass auch Georg ihn beherzigt.»
«Das wird er mir nie vergessen», seufzte Lina. «Ich fürchte, dass Aaltje seinen Zorn abbekommen wird.»
«Hoffen wir es nicht, Lina. Sie kann jetzt jederzeit niederkommen.»
«Ich habe es für die Familie getan.»
«Das weiß ich», sagte Bertram und lächelte. «Sag deinem Bankier, wir brauchen das Geld bis morgen Mittag. Und ich werde zu Cornelius von Sannberg gehen.»
Erst draußen auf der Straße wurde sich Lina klar darüber, dass sie sich Georg gegenüber tatsächlich durchgesetzt hatte. Sie würde zurückbekommen, was ihr gehörte, endlich ihr Erbe erhalten. Sie hatte Mühe, nach Hause zu kommen, so sehr zitterte sie.
4. Kapitel
In der Nacht hatten Robert und Lina beschlossen, dass sie wie gewohnt zu Jutta Wienholds Damenkränzchen gehen müsse. Nichts durfte den Orden aufschrecken.
«Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken», hatte Robert gesagt und sie fest an sich gedrückt. Doch er wusste, dass sie keine andere Wahl hatten. So war Lina jetzt, gegen drei Uhr, auf dem Weg zu den Wienholds.
Sie wurde wie immer freundlich begrüßt. Wie erwartet war das Haus voller auswärtiger Gäste. Als der Kaffee serviert wurde, sammelte die Gouvernante die Kinder ein und brachte sie fort.
Etwa gegen vier Uhr stieß auch Mina zu der lebhaften Runde. Als sie Lina entdeckte, stürzte sie sich fast auf sie. «Lina, liebste Schwester, du weißt nicht, was passiert ist!»
Und dann schilderte sie, wie Georg am Morgen alle Familienmitglieder zusammengerufen hatte, um ihnen zu verkünden, dass Lina nun wieder im Hause gelitten war. «Ist das nicht wunderbar? Er sagte, es sei ja nicht mehr so lange hin bis Weihnachten und dass er Frieden in der Familie wolle. Ich habe ihn gefragt, ob er weiterhin verlange, dass du zurückkehrst, aber er verneinte das. Er hat akzeptiert, dass du auf eigenen Füßen stehst, Lina. Ich habe es fast nicht glauben können.»
«Wir haben gestern miteinander gesprochen», antwortete Lina nur.
«Gratuliere, liebe Lina», sagte Jutta Wienhold. «Nun wird dein Leben sicher um einiges leichter.»
Wenig später goss Lina sich ihren Kaffee über das Kleid. Sie hatte absichtlich ein helleres Kleid als gewöhnlich gewählt, doch es tat ihr in der Seele weh, das schöne Stück zu beflecken. Aber das war der beste Grund, eine Weile aus dem Salon verschwinden zu können.
Sie gab vor, den Fleck in der Küche auszuwaschen, doch stattdessen stieg sie in den zweiten Stock auf der Suche nach Anno. Außerdem hoffte sie, vielleicht Oskar zu finden. Doch Annos Zimmer war leer, und Lina machte sich langsam Sorgen. Sie hatte weder ihn noch Annette gesehen, seit sie ihm eröffnet hatte, was mit ihm war. Als sie die Treppe wieder hinunterging, sah sie die Tür zum Damensalon im ersten Stock einen Spalt breit offen stehen. Drinnen waren Männerstimmen zu hören. Ein paar Wortfetzen weckten Linas Interesse, und sie trat näher.
«Ich verstehe das nicht», sagte eine Stimme, und Lina erkannte von Müller. «Ich hatte sie so weit. Keine der Banken hier war bereit, ihnen Kredit zu geben, dafür hatte ich mit gezielten Gerüchten gesorgt. Und dann präsentieren sie mir heute eine Summe, die meine
Weitere Kostenlose Bücher