Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Schiffer an Deck, große Kerle, von denen jeder einen Holzprügel bei sich hatte.
«Wir müssen nur ein paar Meter weiterfahren», sagte der Kapitän. Die Männer waren schweigsam, das gefiel Borghoff. Als das Schiff ablegte und langsam Richtung Hafen fuhr, breitete er die Pläne aus und begann zu erklären.
«Wir sind dort unten, weil wir ein neugeborenes Kind retten wollen. Was Sie dort zu sehen bekommen werden, könnte sehr befremdlich sein. Aber ich will nicht eingreifen, solange wir den Kleinen nicht gefunden haben. Wenn er nicht dort unten ist, dürfen wir diese Leute nicht aufschrecken, das bringt ihn in Lebensgefahr.»
Einer der Männer, ein großer Blonder, der sich als Hinnerk Dehnen vorgestellt hatte, sagte: «Sie können sich auf uns verlassen. Herr Haniel hat befohlen, dass wir alles tun, was Sie anordnen.»
Den Liegeplatz, an dem der Einstieg in die Schmuggelkeller lag, hatte Haniel räumen lassen. Das Wasser stand inzwischen so hoch, dass sie bequem vom Schiff aus einsteigen konnten. Dehnen zog einen großen Schlüssel heraus und öffnete das Vorhängeschloss.
Direkt hinter dem Einstieg befand sich ein großzügiger Raum, in dem Waren gelagert wurden, allerdings hatte man wegen des drohenden Hochwassers schon vieles in die höher gelegenen Lagerhäuser gebracht. Borghoff konnte sich gut vorstellen, wie hier die an den Franzosen vorbeigeschmuggelten Waren gesammelt und dann heimlich verladen worden waren. Am anderen Ende des Raumes gab es eine kleine, niedrige Tür, für die Dehnen ebenfalls einen Schlüssel besaß.
Hinter dieser Tür begann ein langer schmaler Gang, der laut Plan Richtung Neustadt führte, allerdings gelangte man von ihm nicht direkt auf den Hauptweg zum Gewölbe. Einer der Schiffer entzündete die mitgebrachten Fackeln, und dann gingen alle vier los. Den Gängen hier sah man an, dass sie lange nicht benutzt worden waren, im Gegensatz zu denen, die die Ordensmitglieder nutzten. Die Luft war abgestanden, und manchmal mussten sie große Schleier von Spinnweben beiseitefegen. Dann und wann trat einer von ihnen nach einer Ratte, die hier sehr zahlreich waren.
Der Gang machte einen weiten Bogen und endete wieder vor einer Tür. Dehnen konnte sie mit demselben Schlüssel öffnen, der schon auf die erste gepasst hatte. «Wir sind jetzt direkt unterhalb des Packhauses», sagte er. «Der Gang wurde früher ausschließlich von der Familie Haniel benutzt.»
Durch eine weitere verschlossene Tür gelangten sie nun in das Gangsystem unter der Neustadt. Borghoff ging jetzt langsamer voran, hielt öfter inne und horchte. Je näher sie dem Gewölbe unter dem Haus der Wienholds kamen, desto öfter hielt er an.
Schließlich kamen sie zu den Gängen, die er bereits zusammen mit Lina gesehen hatte. Alles war ruhig. Systematisch begannen sie, die Gänge und Räume in der Nähe des Hauses zu durchsuchen, aber nirgendwo fand sich eine Spur des kleinen Oskars. Ein Blick in den Versammlungsraum ließ Borghoff zu dem Schluss kommen, dass diese Vollmondnacht doch nicht die Nacht des Sabbats werden würde. Er war jetzt leer, aber der Altar stand wieder an seinem Platz.
Er hatte vor, sich das Gewölbe noch einmal in Ruhe anzusehen, doch da hörten sie plötzlich Stimmen. Für einen Moment glaubten sie auch, ein Kind weinen zu hören, aber wenn dem so war, dann musste es ein älteres sein.
Borghoff fand die Kammer, von der Lina erzählt hatte. Für vier Männer war sie zwar sehr eng, doch sie konnten sich dort gut verbergen, und Borghoff war es möglich, zu sehen, was im Kultraum geschah. Rasch löschten sie das Licht.
Kurz darauf wurde der große Raum von Fackeln und Kerzen erleuchtet. Borghoff sah, dass hinter dem Altar jetzt ein Tuch hing, auf dem ein Pentagramm aufgemalt war.
Dort stand ein Mann mit einer Kapuze, vor dem Gesicht eine starre Maske. Mehrere Kinder kauerten auf dem Boden, man hatte sie bis auf die Hemdchen ausgezogen. Sie drängten sich aneinander, doch sie froren jämmerlich.
Zwei Erwachsene, die Borghoff nicht erkennen konnte, weil sie mit dem Rücken zu ihm standen, schienen die Kinder zu bewachen.
«Bringt ihn herein!», befahl der Maskierte.
Zwei weitere Erwachsene brachten ein breites Brett herein, auf dem ein recht großes blutiges Gebilde lag, das in der Kälte dampfte. Mit Schaudern erkannte Borghoff plötzlich, dass sich dieses Etwas bewegte, gedämpft hustete und schluchzte.
Der Maskierte begann, eine seltsame Litanei herunterzuleiern, in die Erwachsene wie Kinder dann
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