Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Commissar?»
Borghoff musterte ihn und überlegte, ob er ihn kannte. Ein Kleinbürger, vielleicht ein Handwerker, schätzte er.
«Wir müssen den Raum noch genau untersuchen, Herr …»
«Weiss, Johann Weiss. Tischlermeister von der Schulstraße. Ich hätte bereits Interessenten, und jeder Tag, an dem das Zimmer leer steht, kostet mich Geld.»
«Kommen Sie morgen Nachmittag zum Rathaus, dann kann ich Ihnen genau sagen, wann wir es freigeben, Herr Weiss. Sie werden es ja auch noch säubern müssen.»
«Ja», nickte Weiss. «Schöne Schweinerei das. In meinem Haus ist noch nie jemand abgestochen worden.»
Borghoff zeigte wortlos nach unten, der Mann drehte sich um und stieg vor ihm die Stufen hinunter.
«Wussten Sie, dass sie eine Hure war?»
«Mir ist egal, wie sie ihr Geld verdienen. Wenn die Miete pünktlich gezahlt wird, frage ich nicht.»
«Herr Weiss, wir brauchen eine Liste Ihrer Mieter, wir müssen sie befragen.»
«Hab ich nicht.» Weiss schüttelte heftig den Kopf. «Ich kassiere die Miete direkt ab, immer sonntags, wer zweimal nicht da ist, den setze ich auf die Straße. Namen habe ich nicht.»
«Ebel», rief Borghoff nach oben. «Gehen Sie jetzt zu den Mietern und notieren Sie die Namen. Sie sollen morgen auf die Dienststelle kommen.»
«Jawoll, Herr Commissar.»
«Kann ich jetzt gehen?», fragte Weiss.
«Sicher. Wir finden Sie schon, wenn wir noch Fragen haben.»
Mehrmals wollte Lina schon ihre Schuhe ausziehen und zu Bett gehen, aber sie war viel zu neugierig und überlegte sich, den Commissar vielleicht auf der Treppe abzufangen und zu hören, was es mit dem Mord in der Altstadt auf sich hatte. Sie wusste, das gehörte sich für eine Dame nicht, fragte sich dann aber, wer schon erfahren sollte, was hinter den Mauern des Hauses vor sich ging. So saß sie im Dunkeln, weil sie Kerzen und Öl sparen wollte, und wartete.
Endlich hörte sie den festen Schritt des Commissars. Sie stand auf und ging zur Tür. Aber dann verließ sie der Mut. Nein, es war einfach unmöglich, mit dem Commissar hier zu sprechen. Was sollte er von ihr denken?
Er hatte die Treppe erklommen, und die Schritte verstummten plötzlich. Stattdessen hörte sie ein zaghaftes Klopfen. «Fräulein Kaufmeister, kann ich Sie sprechen?»
Lina ging ein paar Schritte im Kreis, damit er nicht denken sollte, dass sie an der Tür gelauert hätte, und öffnete dann, die Kerze in der Hand. Er selbst trug noch seine Laterne.
«Ich … ich wollte gerade zu Bett gehen.» Lina gefiel es gar nicht, was sie da stammelte.
«Ich brauche Ihre Hilfe, Fräulein Kaufmeister. Das heißt, wenn das Licht hell genug ist …» Er hatte seine Laterne in der Hand und einen Krug mit frischem Bier auf das Tischchen im Flur gestellt. Mit der anderen Hand suchte er in seiner Jacke nach etwas. Als er es gefunden hatte, hielt er es ihr hin. Es war ein Stofffetzen, aus einer Jacke gerissen.
Lina nahm ihn und hielt ihn nah an die Laterne.
«Stammt das von einer Schifferjacke?», fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. «Das müsste schon ein Kapitän gewesen sein.» Sie befühlte den Fetzen, der aber zum Teil von etwas verkrustet war. «Ist das Blut?», fragte sie.
Borghoff nickte. «Die Tote muss es ihrem Mörder abgerissen haben. Sie hielt es noch in der Hand.» Er sah ihr direkt in die Augen. «Verzeihen Sie, wenn ich Sie damit um Ihren Schlaf bringe.»
Lina lächelte. «Nein, ich bin Ihnen sehr dankbar. Ich habe gehört, wie man Sie holte, und hätte die ganze Nacht vor Neugierde kein Auge zugetan.»
Seine Mundwinkel verschwanden kurz unter seinem Bart. «Meinen Sie, es ist unschicklich, wenn wir in Ihre Wohnung gehen, Fräulein Kaufmeister? Ich möchte Frau Dahlmann nicht wecken.»
Lina zog die Augenbrauen hoch. «Es ist ganz sicher unschicklich, aber wenn die Polizei mich mitten in der Nacht befragen muss …»
«Das muss ich in der Tat.»
Sie trat einen Schritt zur Seite. «Leider kann ich Ihnen gar nichts anbieten.»
Er griff nach dem Krug. «Dann erlauben Sie mir, Sie einzuladen», sagte er, doch dann setzte er nach: «Falls eine Dame wie Sie Bier trinkt …»
«Ich trinke sehr gern mal ein Bier.» Lina ließ ihn eintreten und begann dann hastig, die vielen Stoffteile und halb fertiggenähten Kleidungsstücke von den Stühlen zu räumen. «Entschuldigen Sie die Unordnung», sagte sie verlegen. «Aber hier ist so wenig Platz für Näharbeiten.»
Er setzte sich an den Tisch und stellte die Laterne ab. «Es ist sehr viel behaglicher hier
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