Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
Vom Netzwerk:
bog ein offener Einspänner in die Straße und hielt sofort, als er von Sannbergs Kutsche sah. Solange sie dort stand, konnte er nicht weiterfahren. Von Sannberg winkte, und Lina erkannte, dass Robert Borghoff den Einspänner lenkte.
    «Wollen wir die Polizei nicht aufhalten.» Er küsste ihre Hand und stieg rasch wieder in den Wagen. «Dann bis morgen Nachmittag», rief er, als sich die Kutsche schon in Bewegung setzte.

    Commissar Borghoff war im Einspänner des Bürgermeisters auf dem Weg nach Duisburg. Er hatte einen Brief des Königlichen Staatsanwaltes Rocholl erhalten, der ihn zu sprechen wünschte. Borghoff fürchtete, dass das nichts Gutes bedeutete. Sechs unaufgeklärte Morde in nur sechs Monaten, und da war nichts, was die Ruhrorter Polizei vorweisen konnte – nicht einmal der als dumm und langsam geltende Schiffersohn Gerd Drömmer war gefasst worden, obwohl man ihn mehrfach wieder in Ruhrort gesehen hatte.
    Aber wie sollte man ihn auch ausfindig machen, wenn sich die Streifengänge auf kurze Stippvisiten in den einschlägigen Lokalen und einen Rundgang über den jeweiligen Markt in der Alt- oder Neustadt beschränkten? Immer noch wanderten Arbeiter für den Phoenix zu, Wallonen, die kaum ein Wort Deutsch sprachen und deren Registrierung fast die ganze Arbeitskraft der Polizeidiener band. Und nach wie vor wollte Bürgermeister Weinhagen kein Gesuch an die Bezirksregierung für mehr Beamte stellen. «Damit werden wir allein fertig», pflegte er zu sagen. Inzwischen beschränkte man sich auf die Registrierung, weitere Überprüfungen der Fremden führte man nicht durch, nicht einmal eine Kontrolle der Bettler war mehr möglich.
    All dies legte sich Borghoff im Kopf zurecht, um sich dem Staatsanwalt gegenüber verteidigen zu können. Als er die Fähre zwischen Ruhrort und Duisburg erreichte, warteten hier bereits an die hundert Menschen auf ihre Überfahrt: Arbeiter, die sicherlich schon zu spät dran waren, Bauern und Bauersfrauen auf dem Weg zum Markt oder zu den Geschäften, viele reisende Handwerker, von denen Borghoff den einen oder anderen wiedererkannte, weil er registriert worden war, und ein paar kleinere Geschäftsleute und Boten, die zu Fuß unterwegs waren.
    Größere Fuhrwerke nutzten diese Fähre nicht, sie setzten mit der größeren Aakerfähre zum Dorf Duissern über, doch Borghoff wollte keine Zeit verlieren und machte sich sehr unbeliebt, als er jetzt sein Amt dazu benutzte, bevorzugt behandelt zu werden und als Erster auf die Fähre fahren zu dürfen.
    Es war ihm unangenehm, den Staatsanwalt warten lassen zu müssen, doch im geschäftigen Duisburg, das immerhin viermal so groß war wie Ruhrort, war das Fortkommen nicht so einfach. Im Schatten der Salvatorkirche wurde Markt gehalten, zu dem an diesem frühen Vormittag Hausfrauen und Bedienstete strömten.
    Als er vor dem Gericht, in dem auch der Staatsanwalt seine Diensträume hatte, hielt, sah Borghoff ihn schon am Fenster stehen, und kurz darauf stand Rocholl in der Tür, um ihn zu begrüßen.
    Mit Mitte dreißig war er noch recht jung für das Amt. Borghoff war überzeugt, der Mann würde eine große Karriere machen, wenn er die Provinz erst einmal hinter sich gelassen hatte.
    «Es tut mir leid, dass ich zu spät bin, aber die Fähre …»
    «Lassen Sie mal», winkte der Staatsanwalt ab. «Ich stehe nur schon hier, weil ich Ihnen etwas zeigen möchte. Bleiben Sie auf dem Wagen, ich steige zu!»
    Er schwang sich neben Borghoff auf den Sitz und nahm dem verblüfften Commissar die Zügel ab. «Wir können auf dem Weg reden.»
    «Nun …», sagte Borghoff bedächtig. «Über die Morde weiß ich nichts Neues zu berichten.»
    «Deshalb habe ich Sie nicht hergebeten», sagte Rocholl knapp. «Es geht vielmehr darum, dass ich Neuigkeiten für Sie habe – etwas spät zwar, aber vielleicht hilft es Ihnen weiter.»
    Sie fuhren bis an den Rand der Stadt, hinaus aus dem Schwanentor und dann an der Stadtmauer entlang nach Norden, bis sie zu einem großen, schlichten Gebäude kamen, das einen recht trostlosen Eindruck machte.
    «In den letzten Jahren sind schwangere ledige Frauenzimmer ohne Arbeit und Auskommen zu einem Problem für die Stadt geworden», erzählte Rocholl. «Der wohltätige Frauenverein hat sich der Sache angenommen und dieses Haus hier erstanden. Hier können die Mädchen ihre Kinder bekommen und für ihren Unterhalt arbeiten. Die Kinder kommen ins Waisenhaus, sobald sie entwöhnt sind. Dort werden sie zu tüchtigen Arbeitern

Weitere Kostenlose Bücher