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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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gehört.»
    «Ja, ich bin fertig mit allem. Heute Abend gehe ich wieder nach Hause.» Lina zwang sich, dem Jungen in die Augen zu sehen. Sie waren so blau wie die von Annette, und obwohl sich die beiden wirklich ähnlich sahen, waren sie leicht zu unterscheiden. Anno wirkte ein wenig hagerer, eine Spur härter, jungenhafter eben.
    «Wie schade. Ich glaube, mit dir kann man gut plaudern. Aber wie ich meine Mutter kenne, hat sie noch nicht genug Kleider, und wir sehen uns bald wieder.»
    Oben, im obersten Stockwerk, hörte man schwere Schritte. «Anno?», rief eine Männerstimme. Lina vermutete, das war der Hausdiener.
    «Ich muss fort.» Der Junge sprang schnell, aber sehr leise die Treppe hinunter.
    Lina folgte ihm langsam, Stufe für Stufe. Kurz darauf war der Hausdiener hinter ihr. «Haben Sie Anno gesehen, Fräulein?»
    Lina beeilte sich, den Kopf zu schütteln. «Heute noch nicht.»
    Der Mann seufzte und ging an ihr vorbei die Stufen hinunter. Als Lina auf dem Treppenabsatz im ersten Stock ankam, bemerkte sie, wie sich neben ihr eine Tapetentür öffnete. Dahinter erschien Annos Gesicht. Er legte seinen Finger auf die Lippen und grinste.
    Lina zwinkerte ihm zu und sah dann, wie er herauskam und vorsichtig wieder nach oben schlich. In diesem Haus konnte er seine Verfolger noch lange zum Narren halten.

    Am ersten Abend ihrer Rückkehr musste Lina feststellen, dass es gar nicht so schlimm war, das luxuriöse Haus der Wienholds wieder gegen ihre bescheidenen Zimmer einzutauschen. Zum ersten Mal, seit sie hier wohnte, hatte sie das Gefühl, zu Hause zu sein. In ihrem Geldbeutel klimperte das geradezu unglaubliche Vermögen von fast fünfundsechzig Thalern, und nun tat sie noch das Geld des Barons und der Frau von Müller hinein. Der Gedanke, dass sie die nächste Jahresmiete fast zusammen hatte, ließ ihr Herz klopfen.
    Sie wusste, sie hatte den Wienholds einen viel zu günstigen Preis gemacht, aber vielleicht würde ihr das wirklich die Kundschaft einbringen, die sie brauchte, um auf Dauer allein zu überleben.
    Sie brühte sich gerade das Wasser für einen Tee auf. Beim Bäcker hatte sie ein Viertel Weißbrot erstanden, denn sie war entschlossen, zur Feier des Tages das kostbare Apfelkraut, das Guste ihr geschenkt hatte, zu öffnen. Sie hoffte, Clara würde es ihr nicht übelnehmen, wenn sie sich etwas Butter nahm.
    Draußen hörte sie die Stiefel des Commissars. Kurz darauf kam er in die Küche – unter dem Arm hatte er den üblichen Krug Bier und wollte sich noch ein Glas mitnehmen in seine Wohnung.
    «Fräulein Kaufmeister», rief er überrascht. «Sie sind wieder zurück?»
    «Ja. Fünfundsechzig Thaler habe ich verdient, ist das nicht schön?» Ihre Augen strahlten.
    Er setzte den Krug ab. «Das freut mich. Nun sieht es gar nicht mehr so düster aus, oder?»
    «Nein. Möchten Sie ein Brot mit Apfelkraut?»
    Er zögerte. «Ich habe schon bei Lohbeck zu Abend gegessen.»
    «Kommen Sie. Das ist doch eher ein Nachtisch.»
    «Ja, gut.» Er setzte sich und biss kurze Zeit später in das weiche Brot mit der klebrigen Köstlichkeit. Er sah auf ihre zerstochenen Finger. «Sie haben sicher hart dafür gearbeitet», meinte er.
    «Ich mache es gern, da merkt man gar nicht, wie oft man sich in die Finger sticht.»
    «Ihre Schwester dankt Ihnen», sagte er unvermittelt. «Für was, hat sie mir nicht gesagt.» Sein Blick ließ deutlich erkennen, dass er sehr wohl wusste, worum es ging.
    «Geht es ihr gut?», fragte Lina und biss in ihr Brot.
    Er nickte. «Ich denke schon. Sie fehlen ihr. Und dann soll ich Ihnen noch Grüße ausrichten von dem hübschen kleinen Hausmädchen, das es immer so eilig hat.»
    «Finchen?»
    «Ja, so heißt sie wohl. Sie kam extra zur Tür gelaufen, als ich das Haus verließ. Sie scheinen ihr wohl sehr zu fehlen.»
    Lina lächelte. «Ja, die Kleine fehlt mir auch. Sie ist wie ein frischer Wind.»
    Borghoff zog ein recht sauberes Taschentuch aus seiner Uniformjacke und wischte sich über den Bart, in dem er zu Recht Apfelkraut vermutete. Lina hingegen hatte nichts, womit sie die Spuren in ihrem Gesicht beseitigen konnte – sie hatte ja auch gar nicht vorgehabt, das Brot hier unten zu essen. Verstohlen leckte sie sich die Mundwinkel und bemerkte erst dann das Schmunzeln des Commissars.
    «Bier und Apfelkraut passt nicht so gut, oder?», fragte er und deutete auf seinen Krug.
    «Ich bleibe heute lieber bei meinem Tee, herzlichen Dank!»
    Sie plauderten noch eine Weile, und schließlich kam die Rede

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