Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
getreten war. Ohne anzuklopfen, hob er den Riegel und trat in eine gediegene Kammer. Es hatte sich nichts verändert in all den Jahren. Rohes Mauerwerk stand im Kontrast zu roten Stoffbahnen, die an den Wänden drapiert waren und den Raum in eine Oase der Lust verwandelten. Anstelle eines Bettes türmten sich Kissen in einer Ecke zu einer Schla f stelle auf. Fjodora erhob sich von dort und kam auf ihn zu. Ihr zartes Gesicht zeigte einen Anflug von Überraschung, blieb ansonsten jedoch r e gungslos.
„Rudger. Das schönste meiner Geschöpfe. Es ist lange her, dass du mich hier aufgesucht hast“, sagte sie mit sanfter, heller Sti m me.
Rudger ließ sich von ihrem Liebreiz nicht täuschen. Er kannte das bedrohliche Schwi n gen in ihrer schmeichelnden Stimme allzu gut. Ein Blick von Fjodora genügte und die Tür fiel hinter ihm krachend ins Schloss.
„Meister“, entgegnete Rudger und senkte zum Gruß den Kopf.
Erhabenes und Gefährliches sollte nicht direkt benannt werden, das bringt Unglück, b e sagte ein altes Sprichwort. Fjodora war beides. Sie stand unmittelbar vor ihm und blickte zu ihm hi n auf. Vielleicht war ihre feingliedrige Gestalt der Grund dafür, dass sie sich für den weiblichen Teil ihrer zweideutigen Gestalt entschieden hatte. Rudger hielt für einen M o ment die Augen geschlossen, als sie mit einer Hand sein Kinn anhob und über seine Wange strich. Ihre Berührung ließ ihn zurückweichen. Ihre Hand zog sich augenblicklich zurück.
„Du weichst vor mir zurück, Rudger? Noch immer?“ Sie rollte das ‚R‘ und sprach den Rest seines Namens in einem harten, be l lenden Tonfall. „Dabei hatten wir drei so viel Spaß miteina n der, Vincent, du und ich.“
Rudger schwieg und begegnete ihrem musternden Blick. Sie entfernte sich ein Stück von ihm und drehte sich im Kreis. Ihr fede r leichtes Gewand bauschte sich auf und gewährte einen Blick auf ihren geschmeidigen Körper, der keinem Geschlecht zuzuordnen war.
„Du weißt, ich kann dir alles sein, was du willst – was du begehrst“, flüsterte sie.
Sie stand wieder unmittelbar neben ihm. Ihre Bewegungen waren selbst für Rudger kaum zu sehen.
„Ich erbitte deine Hilfe für jemanden.“
„Für jemanden …?“
„Sie ist ein Mensch.“ Fjodora rekelte sich nun auf ihren Kissen und blickte ihn abwa r tend an. „Vincent nahm sich eine Frau aus meinem Publikum und hat damit Aufsehen erregt. Es ist no t wendig, dass wir uns unauffällig verhalten. Nur dann ist es möglich, die Menschen von hier fern und diese Räume weiterhin geheim zu halten.“
Fjodora betrachtete hingebungsvoll ihre langen Fingernägel. „Wir nehmen uns andauernd Menschen, wir ernähren uns von i h nen. Und stillen unsere Leidenschaft. Wie lange ist es her, Rudger, dass du Menschenblut getrunken hast? Dass du auf der Jagd warst?“
Er wusste, worauf sie hinaus wollte und blieb eine Antwort schuldig. Seine Weigerung Menschenblut zu trinken, das ihm nicht freiwi l lig angeboten wurde, war ein Affront gegen Fjodora.
„Das Ganze hat nichts mit mir zu tun“, antwortete er lächelnd. „Man wird die Frau vermissen, wenn Vincent nicht von ihr a b lässt. Leyla Barth wird Nachforschungen anstellen.“
Fjodora war mit einem Satz bei Rudger. Ihre Hand schnellte hervor und umfasste seinen Hals. Sie schlug seinen Hinterkopf g e gen die Wand. Schmerz durchfuhr ihn, doch er war daran gewöhnt, dass Fjodoras Anwesenheit stets von Schmerzen begleitet wu r de.
„Du kannst froh sein, dass mein gegenwärtiger Zustand mich beeinträchtigt, sonst würde ich dir die Kehle herausreißen für de i nen Ungehorsam“, zischte sie. „Nenn mir einen Grund, wesw e gen ich einer Sterblichen gegenüber Erbarmen zeigen sollte.“
Abrupt ließ sie von ihm ab und drehte ihm den Rücken zu. Eine ihrer strategischen Maßnahmen, die ihr gedemütigtes Opfer d a zu verleiten sollte, sie von hinten anzugreifen. Rudger hatte das im Laufe ihrer gemeinsamen Zeit häufig miterlebt und war immer wieder überrascht, wie viele ihrer verzweifelten Opfer sich Chancen ausmalten, wenn sie Fjodora rücklings angriffen. Ni e mand hatte das überlebt.
„Manche Menschen sind es wert. Die Menschheit hat sich geä n dert“, sprach er ruhig.
Und er hatte seinen Platz inmitten der Menschen eingenommen. Er bediente die Bedürfnisse der Vampire, indem er ihnen im Roten Palais die Gelegenheit gab, ihren Leidenschaften nachzugehen ohne in Konflikt mit den Sterblichen zu geraten. Als anges e hener Geschäftsmann
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