Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
fühlte sich an wie ein Albtraum, in dem man versucht zu rennen und trotz größter Anstrengung keinen Schritt vorankommt. Schweiß rann ihr in Str ö men über den Rücken. Auf der Bühne tanzte Vincent mit Evelyn den Tanz der Teufel. Die Gesichter der Z u schauer blickten ihnen selig entgegen, als beobachteten sie ein Liebespaar im Walzertakt. Das konnte nicht wahr sein. Er konnte doch nicht den ganzen Saal für so lange Zeit in se i nem Bann halten. Vincent zog Evelyn mit einer tänzelnden Bewegung in seine Arme. Sie warf ihren Kopf nach hinten, bot ihm ihren ungeschüt z ten Hals dar.
Leyla schrie auf und warf sich erneut mit der Schulter gegen das weiche Nichts. Mit einer fließenden Bewegung zog sie ihre Wa f fe, entsicherte sie und schoss in die Luft. Der Bann löste sich auf der Stelle, und Leyla fiel durch den plötzlich verschwundenen Widerstand auf den Boden. Sofort rappelte sie sich auf, steckte die Waffe ins Holster und rannte auf die Bühne zu. Es vergingen nur Sekunden, doch ein Rest von Vincents Macht lag noch in der Luft. Sie schien sich in Zeitlupe zu bewegen, sah, wie sich die Leute im Publikum langsam regten, als erwachten sie gleichzeitig aus ihrer Trance. Den Schuss hatte niemand gehört. Vincent sah ihr entgegen, ein kurzes ungläubiges Blitzen in den Augen. Dann bleckte er die Fangzähne und warf den Kopf zur Seite. Sein Fa u chen fegte über Leyla hinweg. Speiche l fäden tropften über sein Kinn. Sein Gesicht hatte nichts Menschliches mehr. Er lockerte seinen Griff, und Evelyn sank ohnmächtig auf den Boden. Ihr Haar strömte in roten We l len über die weiße Fläche der Bühne. Die Zeit schien still zu stehen. Leyla befand sich in einer Hülle aus fühlbarer Leere. Sie sah die Menschen im Publikum, die wie eing e froren in ihrer letzten Bewegung erstarrt waren. Neben ihr ging Rudger in normalem Tempo auf die Bühne zu. Er hob Evelyn behutsam auf und legte sie einem weiteren Vampir in die Arme, der mit ihr zur Tür hinaus verschwand.
„ Kwerruz , Vincent, ruhig!“, hörte sie Rudgers Stimme. Er stand n e ben Vincent auf der Bühne. „Geh!“, befahl er.
Vincent brüllte und warf den Kopf hin und her. Als er Rudger abrupt anblickte, waren seine Augen klar und ein Schmunzeln kräuselte seine geschminkten Lippen. Ohne ein Wort stieg er von der Bühne und verschwand. Leyla fühlte, wie Hände unter ihre Achseln griffen und sie auf die Bühne hoben, als sei sie gewichtslos. Sie befand sich in Rudgers Armen, eng an seinen Körper g e drückt. Das Vakuum um sie herum ve r schwand und die Zeit nahm ihren gewohnten Lauf. Scheinwerfer wurden auf sie gerichtet. Sie kniff die Augen zusa m men, als das grelle Licht sie blendete. Ihre Knie waren butterweich und drohten unter ihr nachzugeben. Sie sah die Gesichter der Leute in den vorderen Reihen. Erwartungsvoll blic k ten sie zu ihr und Rudger hinauf. Sie bemühte sich ihre Gedanken zu ordnen.
Die Zeit hatte nicht stillgestanden. Leyla hatte die übermenschlich schnellen Bewegungen der Vampire als Einzige sehen können. Für die Menschen im Publikum waren sie das Paar auf der Bühne, dem sie bereits unter Vincents Bann zugeschaut hatten und das soeben seinen Tanz bee n det hatte. Sie hatten nicht das Geringste von der Szene bemerkt, die sich zuvor abgespielt hatte.
„Verbeugen Sie sich“, raunte Rudger und küsste zeremoniell ihre Hand.
„W… was?“
„Bitte“, sagte er eindringlich und deutete mit den Augen zum P u blikum.
Leyla verstand und verbeugte sich mit ihm. Ein tosender Applaus brach aus. Rudger streckte seinen Arm, in dem Leylas Hand lag, und bewegte sich ein paar Schritte von ihr weg. Dann zog er sie mit einer drehenden Bewegung zu sich und Leyla folgte seiner Anweisung wie eine Tänzerin, die sich von ihrem Partner führen ließ. Sie fand sich eng u m schlungen an seiner Schulter wieder und hob ihm ihr Gesicht entgegen. Um ihn auf Abstand zu halten, legte sie ihre Handfläche auf seine Brust. Sie fühlte sein Herz klo p fen. Mit seiner freien Hand fasste er unter ihr Kinn, ohne seine Umarmung zu lockern. Zum ersten Mal blickte sie in seine Augen. Menschliche Augen von einem so tiefen Blau, wie sie es nie zuvor gesehen hatte. Sein Gesicht kam n ä her. Leyla wollte nicht, dass er sie küsste, doch sie wollte auch vermeiden, dass die Polizei hier auftauc h te, weil ein verängstigter Besucher die Nerven verlor. Unter den gegebenen Umständen wäre Leyla in Erklärungsnot. Ihr war es auf priv a tem Wege gelungen, Zutritt zum
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