Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
schwarzes Hemd aus matter Seide. Sein langes Haar war im N a cken zusammengebunden. Sein Lächeln war entwaffnend, aber sie spürte seine ernste Stimmung, was im Widerspruch stand.
„Wollen wir?“, fragte er.
„Woher wussten Sie, dass ich hier bin?“
„Sie wussten, dass Sie in die oberste Etage mussten, obwohl ich I h nen nicht gesagt hatte, wo wir uns treffen.“
„Das war keine Antwort, Rudger.“
„Ich weiß. Kommen Sie.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen.
Bleich und schmal war sie, ohne die geringste Bewegung, als ve r mochte er stundenlang in dieser Position zu verharren.
Ein Mitarbeiter des Aurodom kam die Treppe hinaufgeeilt und grüßte Leyla flüchtig, bevor er in der gegenüberliegenden Tür verschwand. Für ihn war sie eine Besucherin, die auf den Aufzug wart e te, um in den Besucherbereich zurückzukehren. Er hatte Rudger nicht bemerkt, da dieser im Innern des Aufzugs stand. Ohne die da r gebotene Hand zu ergreifen, bestieg Leyla den Aufzug, der sich kurz darauf abwärts bewegte. Rudger stand mit dem Rücken zu der Spiegelwand. Im Spiegel sah sich Leyla allein im meta l lisch glänzenden Innern der Kabine. Ein seltsames Gefühl. Rudgers Gestalt füllte den Raum nahezu aus und sie war sich seiner Nähe mehr als deutlich bewusst. Unwillkürlich fragte sie sich, wie eine eitle Isabella es ertrug, nie wieder ihr Spiegelbild zu betrac h ten.
„Sie sehen überrascht aus“, sagte Rudger.
„Nicht überrascht, eher nachdenklich.“
„Es ist nicht so, dass wir unser Spiegelbild nicht sehen können. In den kurzen Momenten des Zwielichts ist es uns gestattet, e i nen Blick auf das eigene Antlitz zu werfen.“
Er brauchte wohl nicht ihre Gedanken zu lesen, da ihm nicht entgangen war, dass sie in den Spiegel geblickt hatte. „Schön g e sprochen“, sagte Leyla.
Rudger deutete eine Verbeugung an. Seine Mundwinkel kräuselten sich zu einem L ä cheln.
Die Tür des Aufzugs ging auf. Vor ihnen lagen die Kellerräume des Aurodom, und Leyla wollte gerade die Aufzugskabine verla s sen, als Rudger sie sanft am Arm fasste und sie einen Schritt zurückzog.
Die Aufzugstür schloss sich wieder, und die Kabine setzte sich mit einem leichten Rucken in Bewegung. Irritiert nahm Leyla wahr, dass die Kabine sich wie ein Paternoster seitwärts in einen Schacht schob. Die Tür öffnete sich erneut, und sie blickte auf die schwach beleuchteten Gänge eines Kellergewölbes. In regelmäßigen Abständen wa r fen vergitterte Glühlampen ein spärliches Licht an die naturbelass e nen Wände der feuchten Katakomben. Vincent empfing sie mit einer Fackel in der Hand. Sein Make-up war so perfekt wie sein Grinsen. Er trug seinen schwarzen Umhang. Leyla spürte Wut und Unbehagen aufkommen. Eine gefährliche M i schung, denn auch wenn es sicherlich unklug war, konnte sie in solchen Situationen selten ihre schärf s te Waffe im Zaum halten. Ihre Zunge.
„Respekt, Vincent, in dieser dramatischen Aufmachung erwecken Sie den Eindruck, als wollten Sie die Fahrgäste einer Geiste r bahn erschrecken.“
Das Grinsen verschwand, dafür erschien eine Zornesfalte zwischen seinen Augenbrauen. Wor t los wendete er sich um und glitt mit einer Leichtigkeit den Gang entlang, wie es nur die talentie r testen Vampire zu tun vermochten.
„Sie sollten Ihren Spott nicht zu weit treiben, Leyla. Vincent braucht nicht viele Gründe, um jemanden zu töten.“ Rudgers Sti m me war nur ein Flüstern.
Das konnte ja heiter werden. Wenn ihr Leben schon durch einen überkandidelten Illus i onisten in Gefahr geriet, dürfte sich hinter dem Namen Fjodora bestenfalls eine exzentrische Steigerung von Vincent verbergen. Da sogar Rudger sie zur Vorsicht rief, schwante ihr nichts Gutes.
Sie folgten Vincent schweigend durch mehrere Gänge, die sich mit einer Abwärtsneigung schlängelten. Leyla verlor nach einigen Abzweigungen die Orientierung. Nach schätzungsweise zehn Minuten begegneten sie ein paar Ratten. Die huschten an ihnen vo r bei und stoben quie t schend auseinander, wenn sie von einem Fuß getroffen wurden. Leyla rümpfte die Nase, als sich der feuchte Geruch des Gewölbes verstärkte. Ihre Angst vor Ratten hielt sich in Grenzen, doch wollte sie nicht gebissen werden. Sie hoffte inständig, dass die Vi e cher mehr Respekt vor ihr hatten als umgekehrt.
„Das ganze Kinogebäude ist auf einem alten Kriegsbunker aufg e baut“, erklärte Rudger. „Die Gänge reichen teilweise bis tief ins Erdreich hinein und erstrecken sich über den Gro ß
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