Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Säule thronte ein steinerner Gargoyle. Die starren A u gen waren auf Fjodora gerichtet, als erwarteten sie jeden Moment den Befehl zum Leben zu erw a chen.
Fjodora hockte mit lang ausgestreckten Beinen auf dem erhöhten Sitz. Sie musste zum Zei t punkt ihres Todes sehr jung gewesen sein. Noch keine Frau, noch kein Mann. Leyla durchfuhr es heiß, als sie die Gestalt aus dem Film erkannte. Sie war das herrische Wesen, das das abgezapfte Menschenblut aus einem Kelch getrunken hatte. Ihr Marmorteint wurde eingerahmt von kastanienbra u nen Zöpfen, die über ihre Brust fielen, der flachen Brust eines Jünglings. Es kon n te ebenso der angedeutete Busen einer jungen Frau sein. Die Haut schimmerte milchig weiß und ihre rosa Lippen waren zu einem Schmollmund verzogen. Das ganze Antlitz der androgynen Gestalt übertraf jegliche Vorste l lung von Schönheit und dennoch lag etwas in ihr, was Enttäuschung hervorrief. Leyla vermochte nicht genau zu sagen, was es war. Der Anblick löste ein berauschtes Entzücken aus und ließ gleichzeitig tiefe Irritation aufsteigen. Dieser Wechsel von Empfindungen rührte vielleicht von den großen, dunklen Augen, die prüfend auf Leyla gerichtet waren. In ihnen lag ein Ausdruck von Ernsthaftigkeit und Grausamkeit, der dem Gesicht etwas von seiner Jugen d lichkeit nahm, ihm dafür eine seraphische Milde verlieh, die im Laufe vieler Jahrhunderte gewac h sen zu sein schien. Leyla überlegte, ob Fjodora nicht doch weiblich war. Zumindest hatte sich der Hermaphrodit für den Moment dazu entschieden als Mädchen aufzutreten, sodass Leyla b e schloss, sie als solche anzusehen. Ein fließendes, zartgelbes Gewand betonte den tadellosen Wuchs ihres Körpers. Weite geschlitzte Ärmel reichten bis zu den Ellenbogen. Die zierlichen Hände ruhten auf den Thronlehnen und waren bis zu den Fi n gern von einer Krause aus kostbarer Spitze bedeckt. Sie machte einen gelangweilten Eindruck, wie ein Kind, das sich nicht zu beschä f tigen weiß.
Isabella marschierte mit schwingenden Hüften auf den Thron zu und ließ sich vor Fjodora auf dem Boden nieder. Sie ergriff e i nen von Fjodoras nackten Füßen und hob ihn grazil an ihre Wange, als sei es ein weichgespültes Frotteehandtuch. Zwei männliche Va m pire bauten sich hinter dem Thron auf und verschränkten die Arme vor ihrer massigen Brust. Sie starrten mit leeren, finsteren Blicken geradeaus. Mit ihren schrägstehenden Augen glichen sie sich wie Zwillinge. Bis auf einen langen Zopf, der von ihren Obe r köpfen herabfiel, waren ihre Schädel kahl und überzogen mit Tätowierungen. Ihre eng anliegende Kle i dung bestand aus gegerbtem Leder mit Pelzbesätzen an den Schultern, sodass sie an mongolische Reiter aus einem Steppengebiet erinnerten. Ein weiterer Mann, in einem altmodischen schwarzen Gehrock, stellte sich neben Isabella. Die Spitze seiner langen H a kennase neigte sich, bis sie fast die schmalen Lippen berührten. Mit den strengen Gesichtszügen eines Hauslehrers hatte er den Mund zusammeng e kniffen und tiefe Furchen zogen sich über seine hageren Wangen. Unter den buschigen Brauen blitzte sein durc h dringender Blick zu Leyla. Er wirkte auf verwirrende Art menschlich und vertrauenswü r dig.
Rudger und Vincent standen auf der rechten Seite des Throns, vor einer bizarren Riege aus sechs Frauen mittleren Alters. Sie standen stramm wie Soldaten vor einem Manöver. Über ihre hervorgehob e nen Brüste spannten sich gestärkte Blusen. Die Arme hatten sie auf dem Rücken verschränkt und ein Bein elegant vorgestellt, als ob sie einen neuen Schuh präsentierten. Sie trugen pe r fekt gelegte Föhnfrisuren und ein seliges Lächeln auf ihren hellrot g e schminkten Lippen.
„Das sind meine Nannys. Sie passen auf mich auf und erfüllen mir jeden Wunsch“, erklang die glockenhelle Stimme des wide r sprüchl i chen Geschöpfes. Sie war Leylas Blick gefolgt und sah sie an. Dann zwinkerte sie kokett. „Leyla Barth“, sprach Fjodora und neigte hul d voll den Kopf. „Rudger hat mir zugetragen, dass Sie meine Gunst erbitten. Er ist so menschenlieb.“
In den letzten Worten schwang eine abgrundtiefe Verachtung mit, die Leyla einen eiska l ten Schauder über den Rücken jagte. Sie stand wie eine Angeklagte vor einem dämonischen Gericht und versuchte gegen ihre Angst anzukämpfen. Sie nahm an, dass eine An t wort von ihr erwartet wurde, und atmete tief durch.
„Ich möchte, dass Vincent meine Freundin freigibt“, erwiderte Leyla und schaffte es, ihre Stimme
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