Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
sogar Marie, das Mädchen aus dem vermeintlich guten Haus. Von einem wohlbehüteten Dasein waren sie alle weit entfernt. Sie hatten ihren Weg gewählt. Mit einem Anflug von Mitg e fühl für Jarno fragte sich Leyla, wer hier das gefährlichere Leben lebte.
„Wohin ist Marc gegangen?“, fragte Leyla.
„Er überredet den Nachtwächter, uns mit dem Kran zu helfen. Der kennt sich gut aus damit und ist absolut vertrauenswürdig. Er wird gleich anrufen“, erklärte Marie und hielt ihr Handy hoch. „Wir sollen ihm dann durchgeben, zu welcher Brücke der Kran kommen soll.“
David und Stephan überprüften ihre Atmungsschläuche. Sie hatten auf Marcs Bitte zunächst skeptisch reagiert, erklärten sich dann aber schnell zu diesem Abenteuer, wie sie es nannten, b e reit.
„Wohin soll’s gehen?“, fragte David. „Mann, ist echt lange her, als wir zuletzt in die dunkle Brühe gesprungen sind.“ Er blickte abenteuerlustig in die Runde und klatschte mit den Hä n den gegen den Gummistoff an seinen Oberschenkeln.
„Ich vermute, der Sarg hat sich in den Stahlträgern irgendeiner Brücke verfangen und ist nicht bis auf den Grund hinab gesu n ken“, sagte Leyla. Sie sprach mehr zu sich und bemerkte nicht, dass die anderen ihr mit gerunzelter Stirn zugehört hatten. Sie wus s ten nicht, dass ihr einziger Hinweis ein wirrer Albtraum war. Leyla hatte keine Ahnung, unter welcher der drei Brücken in der U m gebung sie suchen mussten.
„Die Drehbrücke und die Rheinbrücke sind in der Nähe. Sie sind beide auf Zementfundamenten errichtet und haben keine Stah l tr ä ger“, sagte Stephan.
„Was ist mit der kleinen Hafenbrücke an der Einfahrtstraße zum Hafen? Die ist ko m plett aus Stahl und der Säulendrehkran steht dort in der Nähe“, ereiferte sich David und deutete mit der Hand in die erwähnte Richtung.
„Wenn wir dort sind, kann ich es euch sagen“, entgegnete Leyla.
Bevor sie die Brücke erreichten, spürte Leyla, dass sie an der richt i gen Stelle waren. Sie nickte Marie zu, die sofort Marc anrief.
David und Stephan zogen ihre Atmungsmasken auf und knipsten die Tauchlampen an. Ihre Taucherflossen schmatzten über das stru p pige Gras am Ufer. Kurz darauf waren die beiden ins Wasser gesprungen und in den dunklen Fluten verschwunden. Ein Mann bestieg den Säulendrehkran und kurz darauf schaukelte der Haken mit quietschenden Scharnieren im Wind und folgte den Ta u chern behäbig in die Tiefe. Der Fluss war an diesem Seitenarm des Hafens nicht tief. Die Strömung war gefährlich und nur geschu l te Taucher wagten sich dort hinunter. Wenn sich Rudgers Sarg dort unten befand, wü r den sie ihn mit Sicherheit bergen. Falls er sich dort befand …
Leyla zog fröstelnd ihre Jacke um ihren Körper, während sie warteten. Marie hatte sich neben sie gestellt. „Hübsche Frisur, übr i gens“, sagte Leyla.
„Oh, danke.“ Marie lächelte und fuhr mit einer Hand durch ihren flachsblonden Bubikopf. „Ist pflegeleichter und weniger gri f fig.“
Eine Weile standen sie schweigend nebeneinander und blickten auf die Wasseroberfläche. Leyla bemerkte, wie Marie tief durc h atmete und sich ihr zuwandte.
„Bitte seien Sie Marc nicht böse. Er ist manchmal hitzköpfig und neigt dazu, die Dinge einse i tig zu betrachten.“
„Und Sie? Betrachten Sie die Dinge einseitig?“
„Nein, ich sehe ein, dass es zwischen Menschen und Vampiren Unterschiede gibt. Unser Trupp wird im Rahmen des ISAF seit Ja h ren in Vampirangelegenheiten eingesetzt und ich habe einiges gesehen. Vampire sind Monster. Daran ändert eine gesetzlich verankerte Daseinsberechtigung nicht viel. Doch sind sie nicht alle gleich bösartig und Rudger von Hallen hebt sich aus irgende i nem Grund von den anderen seiner Art ab.“
Maries letzter Satz klang wie eine Frage. „Ich kenne den Grund nicht, Marie“, sagte Leyla sanft.
„Warum nennt man Sie Totenwächterin?“
Leyla blickte in Maries fein geschnittenes Gesicht und lächelte. „Das stammt noch aus der Zeit, bevor ich als Privatdetektivin die Lizenz zum Exekutieren von straffälligen Va m piren erhalten habe. Ich war Streifenpolizistin und man stellte mich gerne nachts auf Friedhöfe, weil sich in meiner Anwesenheit kein Untoter aus seinem Grab e r hob. Ich denke, es war reiner Zufall. Die Kollegen auf dem Revier waren erleichtert, denn sie konnten sich in diesen Nächten mit ban a len Delikten befassen. Ich war in Ihrem Alter.“
Marie nickte und senkte den Kopf, bevor sie sprach. „Ich bin
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