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Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
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es
verdient, meinte er, wenn ihm jetzt der Schuster in seiner Wut eine Tracht
Prügel gäbe...
    In der Kapuzinergasse warteten
schon die anderen Räuber.
    „ Silli “,
rief Döll atemlos, „ich habe die Mark. Aber Schnaps brauchen wir gar
nicht dafür zu kaufen... den hab’ ich nämlich auch schon!
Geschenkt sogar!“
    Das Mädel lachte, dass
seine weißen Zähne schimmerten. „Also hast du schon kapiert,
was ich wollte?“
    Und dann erzählte er
rasch, wie er zu dem Geld und der Flasche gekommen war.
    „Bombensicher klappt die
Sache!“ flüsterte er, „aber ihr müsst sofort da sein,
wenn ich euch rufe! Halt, am besten geht ihr alle vier mit und versteckt euch
in dem Hof.“
    Schon huschten sie wie die
Kobolde durch den dunklen Flurgang des Herrn
Schuhmachers Karl Derendorf in den Hof. Als sie dann
die Tür hinter sich zugezogen hatten, klopfte Döll herzhaft an die
Werkstatt. Und ohne auf ein Herein zu warten, trat er auch gleich in die enge
Kammer.
    „Ich komme noch mal
wieder, Herr Derendorf “, sagte er.
    Aber der Schuster schien ihn
gar nicht zu hören. Der Mann musste doch schrecklich betrunken sein. Und
die Vögelchen schrieen so... War es nicht doch
eine Sünde, ihm jetzt wieder eine dicke Flasche von dem schrecklichen Zeug
zu geben? Aber jetzt konnte Döll nicht mehr zurück. Er hatte einmal A
gesagt, und nun musste er auch B sagen. Da war nichts zu machen.
    Der Schuster, der sich taumelnd
an einem Schrank festhielt, hatte ihn jetzt endlich gesehen.
    „ Wwwwas wwwillst dddu hier?“
lallte er, „raus!“
    „Aber, Herr Derendorf “, sagte Döll, „ich hab’
Ihnen auch was mitgebracht... Der Vater braucht nämlich die Feldschuhe
morgen früh schon, und da hätt’ ich gern drauf gewartet... Und
weil er das eigentlich nicht verlangen kann, und überhaupt, weil Sie heute
Namenstag haben, schickt er Ihnen hier ‘ne Flasche Schnaps...“
    Döll wusste selber nicht,
wie ihm das alles so schnell und so sicher aus dem Munde sprudelte, als
hätte er es sich lang und breit überlegt.
    Der Schuster grinste mit dem
ganzen Gesicht. „Na, dann stell sie mal her,
mein Söhnchen“, stotterte er und stieß an bei jedem Wort,
„eigentlich wollte ich ja gerade zu Bett, aber für deinen Vater tut
man schon gern etwas...“
    Döll war sehr neugierig
auf diese Arbeit, und nun sah er auch droben am Fensterchen Sillis und Malas Gesichter durch die schmutzige Scheibe
spähen. Der Schuster ließ sich auf den Schemel fallen – nein,
er wollte es nur, und plumps! – saß er auf der Erde mitten unter
alten Schuhen und Handwerkszeug.
    „Schadet nichts!“
sagte er, nahm von irgendher einen bestaubten
Frauenschuh und besah die Sohle.
    „Das werden wir gleich
haben!“ brummte er.
    „Aber das ist ja gar
nicht der Schuh von meinem Vater!“ sagte Döll.
    „ Dddummer Junge, was verstehst denn du davon?“ knurrte der Schuster, „reich
mir die Flasche her, ich muss mich mal stärken...“
    Döll gab sie ihm, und
droben am Fenster sah er Sillis Lachen. Jetzt setzte
der Schuster die Flasche an den Mund. Gluckgluck ging es... aber schon
sprudelte er das Zeug aus dem Mund, und im gleichen Augenblick flog der Schuh,
den er noch in der anderen Hand hielt, hart neben Dölls Kopf vorbei
krachend an die Türe. Da hatte der Junge aber auch schon begriffen, warum
ihm der Wirt seine Mark zurückgegeben...
    In der Flasche war Wasser, sonst
nichts...
    Jetzt war alles verloren. Rette
sich, wer kann! – dachte Döll. Und schon wieder flog ihm ein Schuh
am Kopf vorbei. Wehe, wenn ihn der Schuster erwischte... Aber nein, Döll
blieb in der offenen Türe stehen, sprungfertig... doch es war nicht nötig.
Der Schuster kam nicht auf. Noch einmal versuchte er’s, aber dann
plumpste er zurück und lag da wie ein Sack. Im gleichen Augenblick fing er
auch schon zu schnarchen an, als müsste er die dickste Ulme im Hofgarten
umsägen.
    „Herr Derendorf ,
schlafen Sie?“ rief Döll.
    Doch der Schuster schnarchte
weiter.
    „Herr Derendorf !“
    Aber Herr Derendorf hörte nicht.
    Nun zog der Junge ihn
vorsichtig und dann kräftig am Bein. Jetzt zwickte er ihn in den Arm.
Nein, der schlief wie ein Murmeltier. Und Döll wollte schon die Kameraden
herbeirufen, da sah er auf dem Schrank eine Schachtel Streichhölzer
liegen.
    „Probieren wir das auch
noch!“ dachte er, rieb schnell ein Hölzchen an und hielt es dem
schnarchenden Schuster dicht vor die Augen. Aber der muckste sich nicht. Leise
stand Döll jetzt auf, ging zur Türe und ließ die

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