Das rote U
verschwand er plötzlich in einer Wirtschaft...
„Was tut der denn
da?“ fragte Silli , „ob er meint, da fänd ’ er eine Mark unter den Tischen?“
Aber Döll wusste ganz
genau, was er tat. Heute Abend hatten sie Reibekuchen gegessen, und
Reibekuchen, das gab allemal einen gewaltigen Durst, besonders bei seinem
Vater. Kaum dass Herr Döll freitagabends nach dem Essen einen Blick in die
Zeitung getan hatte, faltete er sie auch schon zusammen und sagte: „Nein,
was diese Reibekuchen einen Durst machen! Ich muss schnell einmal
Reibekuchenfeuer löschen!“ Sprach’s ,
steckte die Zeitung in die Tasche, nahm Mantel und Hut und ging für ein
Stündchen oder zweie in den ‚Kessel’ an der Flingerstraße . Also würde er auch heute da sein,
kalkulierte Döll, und weiter kalkulierte er noch: wenn der Vater im
‚Kessel’ sitzt, dann ist er bestimmt gut gelaunt, und die Mark habe
ich eigentlich schon so gut wie sicher in der Tasche.
Jetzt sah er sich in der
Wirtschaft um, und bald hatte er seinen Vater erspäht, der mit ein paar
dicken Herren an einem runden Tisch saß und Karten spielte. Gerade warf
Herr Döll die Karten hin, und der Junge sah sein Gesicht strahlen:
„Also, meine
Herren“, sagte er, „Grand mit zweien, gespielt drei, aus der Hand
vier, geschnitten fünf, angesagt sechs...“
Der Junge grinste. Besser
konnte er es ja gar nicht treffen. Jetzt nur schnell an den Tisch, ehe das neue
Spiel im Gange war. Denn wenn er den Vater störte, dann war’s Essig
mit der Mark...
Und schon hörte er einen
von den dicken Herren rufen: „Da kommt ja Ihr Sohn, Herr Döll...
Hahaha, der alte Döll muss nach Hause kommen...“
Aber schon von weitem winkte
der Junge ab, und lachend kam er näher: „Gratuliere auch zu dem
feinen Grand, Vater“, sagte er, „und ob du mir nicht eine Mark
geben könntest?“
„Eine Mark, Junge?
Wofür?“
„Die will die Silli haben, Vater... Hoppla! Jetzt weiß ich
es!“ Er klatschte sich mit der Hand aufs Bein und tat einen kleinen
Luftsprung. Ein Licht war ihm aufgegangen, aber noch ein viel helleres, als Silli in ihrem klugen Köpfchen hatte. „Ja,
Vater“, bettelte er, „gib uns doch die Mark! Do sollst auch
heut’ Abend einen Spaß haben, der mindestens einen Taler wert
ist... Ja, Vater? Damals hast du uns doch für den lumpigen Rollmops
fünf Groschen gegeben.“
Gerade war neu verteilt worden,
und eben hob Herr Döll seine Karten auf: Drei Asse und zwei Buben...
„Grand“, sagte er
wieder, „wer spielt auf?“
Mit der linken Hand griff er in
die Westentasche und legte nun eine blanke Mark auf die Tischkante.
„Da, Junge, nun mach,
dass du rauskommst... Wer geht drüber?“
„Verlieren Sie nur Ihren
Grand!“ rief der dicke Herr, der neben Herrn Döll saß.
Aber der Junge hörte das
schon nicht mehr. Mit seiner Mark in der Faust rannte er zur Tür hinaus,
aber dann gleich rechts herum in den Flur der Wirtschaft, und nun klopfte er am
Schalter.
„Ich möchte für
eine Mark Schnaps für den Schuster, den Sie eben rausgeschmissen
haben...“
Der Wirt besah sich das
Geldstück. „Und eben hatte der Kerl keinen Pfennig mehr“,
brummte er; dann erst schaute er durch das Fensterchen, und da erkannte er den
Jungen. „Ah, du bist das, Kerlchen!“ lachte er, „nun geht mir
ein Licht auf! Meinst du, ich hab’ es nicht gesehen, wie du dir von deinem
Vater eben die Mark hast geben lassen? Was schämen sollt ihr Lümmel
euch! Den Kerl noch besoffener zu machen! Gehört sich denn das?“
Döll schaute den Wirt ganz
erschrocken an. Oh, der würde jetzt gewiss sofort an den Skattisch gehen
und sagen: ‚Sie, Herr Döll, Ihr Junge macht aber nette
Geschichten...’ Es war ja auch wirklich nicht schön von ihm –
das sah er ein. Aber wie sollten sie sonst zu den Vögeln kommen?
Doch nein, der Wirt grinste auf
einmal ganz freundlich und sagte: „Na, so schlimm wird’s ja nicht
sein...“ Und er machte sich am Schanktisch zu schaffen. Was er tat,
konnte Döll zwar nicht sehen. Und als er ihm durch das Fensterchen eine
volle Flasche reichte, wusste der Junge also auch nicht, was er
hineingefüllt hatte...
„So, Junge – sag aber
dem Schuster, er soll mir morgen die Flasche wiederbringen. Und die Mark kannst
du auch behalten... Bestell dem Derendorf , ich
ließ’ ihm zum Namenstag gratulieren, und wenn er wollte,
schickt’ ich ihm gern noch so eine Flasche...“
Aber Döll war schon längst
hinaus, und der Wirt rieb sich die Hände. Der Junge hätte
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