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Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
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anderen ein.
    „Er schläft wie ein
Bock!“ sagte er, „und jetzt lassen wir mal erst die armen
Vögel fliegen... Halt, vor allen Dingen kriegen sie Futter!“
    Die Kinder hantierten wie Geisterchen , flink, unhörbar, und was sie sagten, das
flüsterten sie kaum. Bald hatten sie auch schon in einer Schrankschublade
eine Tüte mit einem Rest Vogelfutter gefunden, und wie ausgehungert
stürzten sich die Tierchen drüber her. Im Nu waren die Körner
weggefressen.
    „Jetzt herunter mit dem
Käfig!“ kommandierte eines der Heinzelmännchen.
    Aber Döll und Boddas setzten den riesigen Käfig erst gar nicht auf
die Erde – sie trugen ihn sofort auf den Hof, und nun griffen sie hinein
und ließen eines der Tierchen nach dem andern in die stille Nacht
hinauffliegen.
    „Das können wir
ruhig tun“, meinte Silli , „die Vögel
finden hier an den alten Häusern genug Ritzen und Winkel, wo sie sich bis
zum Morgen verstecken können und auch nicht erfrieren...“
    Aber es dauerte noch eine ganze
Weile, bis das letzte Vögelchen verschwunden war.
    „So“, meinte Mala , „nun hängen wir den Käfig wieder auf
und gehen nach Hause. Dann kann der alte Tierquäler morgen früh ja
meinen, er hätte all die Vögel im Kopf!“
    „Nein“, zischelte
Döll, „jetzt kommt erst meine Idee! Für die Mark müssen
wir meinem Vater auch etwas liefern! Das könnt ihr euch doch wohl
denken!“
    Sie sahen ihn an und wussten
nicht, was er meinte. Es war ihnen längst unheimlich in der finsteren
Bude, und es grauste sie immer, wenn sie über den schlafenden Schuster
hinwegsteigen mussten.
    „Was willst du denn nun
noch?“ fragte Silli schaudernd, „ich bin
froh, wenn wir aus diesem Loch heraus sind!“
    „Och, der wacht nicht
auf!“ sagte Döll, aber er flüsterte es doch nur. „Und nun
gebt einmal acht: ich habe gesehen, dass man die vordere Käfigseite ganz
herunterklappen kann. Jetzt stecken wir einfach den Schuster da hinein und
fahren ihn auf der Schubkarre in die Wirtschaft...“
    Als das die Räuber kaum
halb gehört hatten, waren sie aus Rand und Band. Eins, zwei, drei
schleppten sie den Vogelkäfig wieder in die Stube. Aber alle vier mussten
sie anpacken, bis sie den kleinen dürren Schuster hinter den Gittern
hatten. Silli hielt derweil die Zimmertüre auf,
denn wenn er wirklich wach wurde, dann mussten sie fort sein wie vom Winde
weggeweht.
    Endlich hatten sie das schwere
Stück fertig gebracht. Nun schleppten sie schwitzend den Käfig in den
Hof und schoben ihn auf die herabgelassene Karre.
    „Die Arbeit
möchte’ ich nicht jeden Tag tun!“ seufzte Boddas auf und wischte sich mit dem Ärmel die hellen Tropfen von der Stirn.
    „Es kann auch nicht jeder soviel in den Knochen haben wie ich!“ sagte
Döll großartig.
    „Diesmal hast du aber
auch was im Kopf gehabt!“ lachte Silli , und
dieses Lob tat dem großen Jungen recht in der Seele wohl.
    Jetzt aber schoben sie den
Karren mit dem Käfig und dem Schuster durch den Hausflur; doch ehe sie auf
der Straße waren, schickte die kluge Silli den Mala noch einmal zurück – eine Decke sollte er
holen, um sie über den Gitterkasten zu tun. Sonst würden sie bestimmt
von der Polizei angehalten...
    Als Mala mit dem Tuch zurückkam, war er blass wie eine Wand.
    „Ich habe droben am
Fenster, von draußen, wo wir eben gestandne haben, ein Gesicht gesehen...“, keuchte er.
    Einen Augenblick standen die
anderen da wie gelähmt; Boddas setzte schon den
Fuß aus der Türe, um wegzurennen.
    Aber da sagte Knöres : „Ich habe auch so eine Gestalt gesehen
heute Abend. Das war das Rote U...“
    „Sehen wir doch mal
nach!“ flüsterte Döll.
    Aber keine Macht der Welt
hätte die Kinder jetzt noch einmal in den Hof zurückgebracht. Als
wäre ein Gespenst hinter ihnen, schoben sie den Karren aus dem Flur auf
die Straße. Kein Mensch war dort zu sehen. Und ohne anzuhalten, fuhren
sie zum ‚Kessel’, drückten und zogen die Karre rasch dort in
den hellbeleuchteten Vorraum über die Steinfliesen. Dann klopfte Döll
wieder an den Bierschalter, und als der Wirt kam, rief er hinein:
    „Der Herr Derendorf möchte die Flasche wiederbringen.
Draußen ist er im Flur!“
    Und weg war er. Im Rennen riss
er noch das Tuch von dem Käfig und warf es hinter sich.

    Die anderen waren schon um die
nächste Straßenecke, und im Augenblick hatte Döll sie erreicht.
    „So“, sagte Silli , „wisst ihr, was wir jetzt tun? Jetzt gehen wir
zum Schuster Bertram in die Flingerstraße und
tragen deine

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