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Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
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Schuhe hin. Ich habe nämlich das Netz wieder
mitgebracht.“
    „Du bist doch die
Schlauste von uns allen, Silli !“ rief Döll
bewundernd.
    Und als sie wieder in die Flingerstraße einbogen, sahen sie einen
Menschenauflauf vor dem ‚Kessel’, hörten ein Johlen und
Lachen, in das sie am liebsten eingestimmt hätten. Aber sittsam gingen sie
mit ihrem Schuhnetz vorüber. Dass sie sich gegenseitig in die Arme
kniffen, konnte ja keiner sehen.
    Dölls Vater aber kam
diesen Abend erst lange nach Mitternacht heim. Und als er am anderen Tage
erzählte, wie der Schuster Derendorf mit einem
Mal auf einer Karre in seinem Vogelkäfig schlafend im ‚Kessel’
gestanden hätte, da zwinkerte er nur einmal ganz verstohlen seinem Sohne,
dem jungen Döll, zu. Aber der sah es kaum, da bückte er sich auch
schon wieder tief über seine Erbsensuppe und löffelte so eifrig, als
wollte er Perlen darin fischen.

Von Kaninchenräubern und einer schweren Aufgabe
     
     
    Es war nun Samstagabend. Der
Regen vom vorigen Tage hatte aufgehört, und prächtig ging die Sonne
unter hinter dem Rhein. Kurz nur war dann die Dämmerung, und durch die
alten Straßen und Gässchen kamen die Frauen, Körbchen und
Taschen in der Hand, denn für den Sonntag hatten sie eingekauft, und nun
machten sie eilig, dass sie heimkamen, um das Abendbrot zu richten.
    Auch die Frau Gebendeil aus dem alten Zollgässchen wäre an
diesem Abend gern ausgegangen, um etwas Nahrhaftes für ihre vier Kinder zu
besorgen. Aber das ging nun zum soundsovielten Male
nicht. Ihr Mann war schon viele Monate arbeitslos, und es reichte nur für
das Allernötigste. Jetzt stand sie in der Küche und wusch unter der
Wasserleitung einen Kessel Kartoffeln, die sie für diesen Abend in der
Schale kochen wollte. Sie wagte gar nicht, die Kartoffeln zu schälen. Denn
da hatte man ja bei fünf Pfund sicher ein halbes Pfund Abfall... Nein, das
ging wirklich nicht...
    Und jetzt klangen auch noch die
feierlichen Glocken von Sankt Lambertus, die den Sonntag einläuteten,
durch das offene Fenster. Die arme Frau konnte es kaum anhören. Sie
trocknete ihre Hände an der Schürze ab und wollte das Fenster
zumachen. Der Abend war ja auch zu kühl. Aber kaum hatte sie sich vom
Kranen umgedreht und einen Schritt ins Zimmer getan, da flog durch das Fenster
plötzlich etwas Dunkles in die Stube und fiel mit dumpfem Krach auf den
Boden.
    Diese Straßenbengel!
– dachte die Frau... aber das kommt davon, wenn man im Erdgeschoss wohnt!
Allen Dreck schmeißen sie einem in die Küche. Da, da kam schon
wieder etwas geflogen, und noch einmal... eins fiel sogar mitten auf den Tisch,
und im gleichen Augenblick hörte die Frau schnelle Jun-genschritte
draußen am Fenster vorbei die Straße hinab dem Rhein zu klaspern .
    Ein paar Augenblicke
später beugte sie sich zum Fenster hinaus, aber sie sah niemanden mehr.
Ärger- lich ging sie in die Stube zurück,
doch schon fuhr sie mit leisem Aufschrei hoch – sie hatte auf etwas
Weiches getreten. Am Tisch wollte sie sich halten – aber schon wieder
griff sie irgendwo hinein. Ein Fell war es, ein Tier... Hatten ihr die
Gassenbuben tote Ratten ins Fenster geworfen? Aber dafür war das Fell zu
dicht... Schnell tastete sie nach den Streichhölzern, und nun hatte sie
das Licht an. Da sah sie es: in der Küche lagen drei Kaninchen, fette,
schwere Tiere...
     
    Ja, der neue Befehl des Roten U
– diesmal hatte ihn Boddas in seinem Buch
gefunden – war kurz und bündig gewesen:
     
    „Ihr habt heute den Gebendeils einen
guten Sonntagsbraten zu besorgen und bis in einer Woche dem Vater Gebendeil Arbeit zu verschaffen.
    Das Rote U.“
     
    Ratlos hatten sich die
Fünfe nach der Schule angesehen. Aber weil das Rote U noch darunter
geschrieben hatte:
     
    „Bis heute bin ich sehr zufrieden mit Euch.“
     
    hatten sie sich mit Feuereifer
darangegeben. Die vier Gebendeil -Kinder kannten sie
ja gut. Alle viere waren bei ihnen in der Schule, aber sogar das Kleinste, das
noch in der untersten Klasse war, hatte in der Zehnuhrpause niemals ein
Butterbrot. Arm und schäbig waren ihre Kleider, Löcher hatten sie in
den Schuhen – nein, da hatte das Rote U ganz recht: hier musste mal etwas
getan werden! Aber woher wusste dies Rote U das alles? Die Kinder konnten es
nicht begreifen, und es war ihnen beinahe un -heimlich.
    Dann diese schwere neue
Aufgabe! Sie wussten noch gar nicht, wie sie die Geschichte anpacken sollten.
Mit dem Sonntagsbraten, das war allerdings nicht so besonders

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