Das rote U
das Bett,
und Herr Behrmann schwang sich auf den Tisch am Fenster. Nur ganz dunkel sah
der Junge seine Umrisse gegen das abenddämmerige Fenster.
„Die Sache ist so“,
fing Mala an, „wir möchten am 17. Dezember
gern schulfrei haben...“
„Na, dann schwänzt
doch einfach...“
„Nein, nein, das geht
nicht! Das geht ganz und gar nicht! Die ganze Schule soll frei haben –
das ist es!“
„Mein Sohn, du bist
verrückt! Und kann ich denn daran etwas machen?“
„Ja, Herr Behrmann, das
können Sie! Aber zuerst müssen Sie mir schwören, dass sie mich
nicht verraten! Hören Sie?“
„Wo denkst du hin?“
– Und feierlich hielt er die Hand hoch: „Ich schweige wie ein
Rheinkiesel!“
Nun erzählte Mala das mit dem Sultan und dem König von Pamir, und
der Vater hätte gesagt, die Menschen glaubten alles, was man ihnen
sagte...
Herr Behrmann lachte, dass es
in seiner Geige widerhallte.
„Da hat dein Vater ganz
recht, da hat er wirklich und tausendmal recht – aber wie ich euch damit
schulfrei verschaffen soll, das begreife ich immer noch nicht... und dann
gerade am 17. Dezember! Wie kommst du auf den Tag?“
„Auf den haben wir uns
nun mal geeinigt“, erwiderte Mala kleinlaut,
„da ist nichts mehr dran zu ändern. Herr Behrmann, können Sie
nicht in die Zeitung setzen, Sie hätten gehört, der König von
Pamir oder der Dalai Lama käme an diesem Tage nach hier? Geht das
nicht?“
„Nein, mein Sohn, das
geht wirklich nicht“, lachte der ewige Student, „aber sonst –
das würde ja ein himmlischer Spaß werden... ein himmlischer
Spaß!“
Er sprang von seinem Tisch und
fing an, in der engen Stube auf und ab zu spazieren.
„Nein, das müsste
man wahrhaftig probieren... ist ja egal, was es ist... aber den Leuten mal
zeigen, wie dumm sie sind. Wo hast du eigentlich die Idee her, Junge?“
„Och, die haben wir uns
so ausgedacht“, grinste Mala .
Aber Herr Behrmann hörte
schon nicht mehr hin und fing wieder an, im Zimmer herumzuwandern. Und
schließlich sagte er: „Du bist vor die richtige Schmiede gekommen,
mein Sohn! Wenn es sich um einen tollen Spaß handelt, dann ist der Onkel
Behrmann immer zu haben. Nun lass ihn mal nachdenken...“
Er setzte sich wieder ans
Fenster, und Mala sah ihn kaum noch, so dunkel war es
mittlerweile geworden. Er sah nur, wie Behrmann die Geige hob – und nun
fing sie auch schon an, ins Düster hinauszusingen ,
zuerst ganz leise, dann heller und geschwinder, wie die Vögel singen um
Ostern, und dann wieder ganz leise... oh, es war so schön, und Mala meinte, er sähe von den mächtigen
Bäumen der alten Seufzerallee die welken
Blätter fallen. Ja, Mala hatte die Musik gern.
Und Herr Behrmann hätte seinetwegen bis in die Nacht weiterspielen
können.
Aber plötzlich setzte er
die Geige ab und sagte: „Jetzt hab’ ich es, mein Sohn! Wollen
sehen, ob es glückt! Schau also, sagen wir mal vom Samstag an, jeden
Morgen in die Zeitung... Und – halte den Mund!“
„Gerade ich werde doch
nicht schwätzen!“ lachte Mala , gab Herrn
Behrmann die Hand und polterte die steile Treppe hinunter.
In den nächsten Tagen aber
dachten sie alle nicht mehr viel an das Rote U und an Herrn Behrmann. Denn ein
sehr früher Winter hatte plötzlich eingesetzt, mit Eis und Schnee,
und keiner von ihnen hatte nun etwas anderes mehr im Sinne, als auf dem
Rodelschlitten in sausender Fahrt den Napoleonsberg im Hofgarten hinunterzujagen . Als dann nach wenigen
Tagen auch noch die Weiher in den Anlagen ver -eist
waren, rannten sie, kaum dass sie sich nach dem Essen den Mund abgewischt hatten,
auf den Spee-schen Graben hinaus und fuhren
Schlittschuh.
Wie eine Bombe schlug es drum
ein, als Mala eines Mittags kam, in der einen Hand
seine Schlittschuhe, in der anderen ein Zeitungsblatt schwenkte und schrie:
„Am 17. Dezember ist
schulfrei!“
Es dauerte keine Minute, da
standen, zwanzig, fünfzig, hundert Jungen und Mädchen um ihn herum.
„Hier steht’s in
der Zeitung!“ rief er, „am 17. Dezember hat unsere Schule ihr
dreihundertjähriges Jubiläum! Und extra steht dabei...“ –
er las vor: „Hoffentlich hat die Schulbehörde so viel Einsehen und
gibt den Kindern an diesem Ehrentage ihrer Schule frei!“
Jubelnd rannte die ganze Schar
fort über das blau-blanke Eis. Nur Silli , Boddas , Döll und Knöres blieben bei Mala stehen.
„Das ist ja
unheimlich“, sagte Silli , „wie hast du
das nur fertig gebracht?“
„Na ja, amtlich ist es
natürlich noch nicht“,
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