Das rote U
lachte Mala ,
„aber der Herr Behrmann hat wirklich das Menschenmögliche
getan...“
Und nun steckten sie die
Köpfe über dem Zeitungsblatt zusammen, alle fünf, und stotterten
langsam, Zeile für Zeile, den Aufsatz Behrmanns herunter.
So fing er an: „Unsere altehrwürdige Schule an
der Zitadellstraße begeht am 17. Dezember
dieses Jahres einen seltenen Tag, den Tag ihres dreihundertjährigen
Bestehens. Ausdrücklich gibt die Gründungsurkunde des Fürsten,
der damals unsere Stadt zu seiner Residenz erkor und den Grundstein zu ihrer
Blüte legte, als Tag der Schulgenehmigung den 17. Dezember des Jahres des
Heiles 1630 an...“
Und so ging’s dann
weiter. Es wurden noch allerlei wissenswerte Dinge von der alten Schule
erzählt, wie zuerst die frommen Mönche dort die Jugend der Stadt
erzogen hätten und den Kindern die Anfänge der menschlichen und
göttlichen Wissenschaft beigebracht... Oh, es war sehr schön zu
lesen. Nur verstanden Silli und die Jungen nicht
allzu viel davon. Ganze Abschnitte mit Jahreszahlen und Namen überschlugen
sie und lasen nur noch den Schluss:
„Der
Turnsaal der Schule, den heute noch die uralten Deckengemälde zieren
– war er doch einst der Kapitelsaal der Mönche – dieser in
seiner Art einzige Turnsaal wäre so recht wie geschaffen für die
Festfeier am Jubiläumstag. Wir weisen die verehrte Lehrerschaft sowie auch
die maßgebenden Stellen der städtischen Behörden jetzt schon
auf alles das hin, denn dieser große Tag darf nie und nimmer vergessen
werden, und er soll auch den Kindern der ehrwürdigen Schule in ewiger
Erinnerung bleiben.“
„Darauf kann Herr
Behrmann sich verlassen...“, sagte Silli ,
„aber wissen möchte’ ich doch, ob das mit dem Jubiläum
auch stimmt...“
„Ob es stimmt oder
nicht“, lachte Mala , „danach fragt doch
keiner was, oder meinst du, die Leute würden jetzt noch lang und breit
nachforschen – wo es doch in der Zeitung steht?“
Aber Silli war schon wieder weg. Kaum sah man, wie sie lief. Ihr rotes Mützchen
leuchtete, ihr Mäntelchen und die Enden des Schales flogen hinter ihr her – wie ein buntes Vögelchen war sie mit rotem
Kopf. Und lachend rannten die Jungen hinter ihr drein.
Aber als es auf den Abend ging,
klopfte Mala doch wieder bei Herrn Behrmann. Der
saß heute aber nicht mit seiner Violine da, sondern im behaglichen Schein
der elektrischen Tischlampe tippte er emsig auf seiner Schreibmaschine.
„Solche Musik muss auch
sein!“ sagte er zu dem Jungen.
„Was schreiben Sie denn
da, Herr Behrmann? Vielleicht wieder etwas vom Schuljubiläum?“
„Hahaha!“ lachte
der alte Student, und seine goldene Brille funkelte nur so, „das war ein
feiner Spaß, nicht wahr?“
„Aber stimmt es denn
nicht?“
„I wo! Natürlich
– eure Schule, die ist alt, sogar sehr alt. Aber dass sie gerade an
diesem 17. Dezember 300 Jahre alt wird, ist bestimmt falsch... Das hat der
Onkel Behrmann nur mal so geschrieben.“
„Und das mit den
Mönchen früher? Und all die Fürsten und Herzöge? Und die
Jahreszahlen?“
„Begreifst du das denn
nicht, Junge? Natürlich ist das alles richtig! Siehst du, das ist wie in
einer Erbsensuppe... wenn die anderen Erbsen alle gut sind, dann merkt es kein
Mensch, wenn auch mal zufällig eine schlechte drunter ist.“
„Und fallen sie drauf
rein?“
Behrmann hielt sich an den
Stuhllehnen fest, so lachte er.
„Und wie!“ rief er,
„hat dein Vater nichts davon gesagt?“
Nein, Malas Vater war diesen Mittag nicht zum Essen heimgekommen.
„Na also! Dann konnte er
dir auch nicht erzählen, wie den ganzen Morgen an der Zeitung das Telefon
geklingelt hat. Alle wollten sie wissen, wie und was, und wie wir das
rausgekriegt hätten. Auf den Gedanken, dass der Onkel Behrmann und also
die Zeitung nur ein bisschen geschwindelt hat, ist kein Mensch
gekommen...“
„Auch mein Vater
nicht?“ fragte Mala kleinlaut.
„Nein, der natürlich
auch nicht. Der glaubt jetzt auch an den Sultan und an den König von
Pamir... Wehe dir, wenn du ihm auch ein Wörtchen nur sagst!“
Als Mala die Treppe hinabstieg, hatte er nun doch ein böses Gewissen. Jetzt war
sein Vater, der sich jeden Tag von neuem so ärgerte, wenn die Leute alles
glaubten, was sie in der Zeitung lasen – jetzt war der Vater selber ganz
genauso hereingefallen. Und er konnte ihm doch nichts sagen. Denn dann war
erstens der freie Tag hin, und zweitens – was würde Herrn Behrmann
passieren? Der Vater würde sicher nichts mehr von ihm in der
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