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Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
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hätte er sagen müssen: Von meinem Vater.
    Sieh da, schon wieder
stieß Herr Schlösser einen ellenlangen Fluch aus und warf die
Serviette auf den Tisch. Das Telefon hatte geklingelt...
    „Nicht mal zum
Mittagessen hab’ ich armer Zeitungsknecht Ruhe!“ schrie er.
    Und als er wiederkam, sagte er
zu Malas Mutter: „Man soll’s nicht
für möglich halten. Fragt da so ein Kamel an, ob es wahr wäre,
dass morgen der Sultan nach hier käme und sich die Mannesmann-Werke
besehen wollte. Ich habe natürlich gleich ja gesagt, der König von
Pamir käme übrigens auch mit... Aber das wäre strengstes
Geheimnis, keinem dürfte er es wiedersagen, und die Herrschaften kämen
10 Uhr 31 mit dem Schnellzug von Solingen, da hätten sie die
Messerschmieden besichtigt...“
    Frau Schlösser lachte.
„Aber lieber Mann“, sagte sie, „warum regst du dich denn
darüber auf?“
    Und Mala rief: „Es gibt ja gar keinen Sultan mehr, der ist doch längst
abgesetzt! Heut haben sie doch den Kemal Pascha!“
    „Das ist es ja eben! Die
Leute glauben alles, was man ihnen sagt, und einen König von Pamir gibt es
natürlich auch nicht und auch keinen Schnellzug von Solingen. Aber bitte,
lauf morgen mal an den Hauptbahnhof 10 Uhr 31... da werden Hunderte von
Menschen stehen...“
    Mala sah seinen Vater an und sagte:
„Dann setz doch gelegentlich mal in die Zeitung, am soundsovielten fiele die Schule aus...“
    Herr Schlösser lachte rau:
„Das könnte dir so passen, mein Söhnchen. Aber wenn ich’s
täte – bestimmt, kein Mensch käme in die Schule, auch die
Lehrer nicht... Doch ich werde mich hüten! Du sollst ein ordentlicher
Mensch werden und kein Windbeutel! Schockschwerenotbombenelementmillionendonnerwetter noch mal!“
    „Den Fluch muss ich mir
merken“, dachte Mala , „denn den kenne ich
noch nicht.“
    Und wie ganz von ferne sah er
eine winzige Möglichkeit dämmern, den Willen des Roten U zu
erfüllen... Aber dass bei seinem Vater nichts zu machen war, sah er
vollkommen ein. Er wusste auch ganz genau: es gab keinen Menschen, der seine
Zeitung und seinen Beruf mehr liebte als Doktor Schlösser. Dinge,
über die er nicht schimpfen oder krakeelen konnte, mochte er nicht. Und je
mehr er über eine Sache schimpfte, desto mehr lag sie ihm am Herzen. Drum
wollte Mala erst gar nicht versuchen, bei seinem
Vater irgendetwas auszurichten. Nein, dazu mussten andere Leute heran! Und Mala wusste auch schon, wer!
     
    Herr Behrmann war ein
Studienfreund seines Vaters gewesen, allzeit lustig und guter Dinge. Sorgen
machte er sich nie, und als sein Freund Schlösser längst Herr Doktor
Schlösser und Redakteur an der Zeitung war, da studierte Herr Behrmann
immer noch. Das heißt, eigentlich tat er nichts, als in mancherlei
Büchern oberflächlich herumzuschnüffeln und sich, wenn es eben
ging, einen guten Tag zu machen. Aber weil man nun doch nicht ewig studieren
kann, zog er hier in die Stadt, wo Doktor Schlösser Redakteur war. Jeder
Mensch muss nämlich leben, und Herr Behrmann musste das auch. Drum schrieb
er oft für das Tageblatt kleine und große Aufsätze über
allerhand Dinge, über Altes und Neues, was ihm gerade in den Sinn kam oder
was der Redakteur ihm auftrug. Das gab dann jeden Monat ungefähr soviel Geld, wie Herr Behrmann brauchte. Zudem wurde er
öfter von Frau Schlösser zum Abendessen eingeladen, denn er war ein
lustiger Vogel, konnte sehr schön Klavier und Geige spielen und sang mit
herrlicher Stimme alles, was man haben wollte.
    Herr Behrmann war also Malas Mann. Und Mala wusste auch,
wo er wohnte. Denn oft hatte er ihm von seinem Vater ein Buch oder
Theaterkarten bringen müssen, und über das Buch oder das
Theaterstück musste dann Herr Behrmann ein paar gescheite Worte für
die Zeitung schreiben.
    Aber Mala bedachte sich doch noch ein paar Tage. Erst als eine Woche seit dem sonderbaren
Befehl des Roten U herum war, klopfte er des Abends an Herrn Behrmanns
Stübchen, vier Treppen hoch, in der Bolkerstraße .
    Gleich hörte das feine,
leise Violinspiel drinnen auf, und schon stand Herr Behrmann in der Türe,
die Geige noch in der Hand. Trotz der tiefen Dämmerung erkannte er Mala gleich.
    „Ah, der junge Herr
Schlösser!“ rief er, „komm herein, mein Sohn, und sag, was du
Gutes bringst! Warte, ich mache Licht!“
    „Nicht nötig, Herr
Behrmann“, sagte Mala , „was ich mit Ihnen
besprechen wollte, kann ich gerade im Dunkeln am besten sagen...“
    „Dann schieße los,
mein Sohn!“
    Mala setzte sich also auf

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