Das rote Zimmer
miteinander reden.
Aber es gibt nichts, weswegen ich Bry Vorwürfe machen könnte.«
»So habe ich es nicht gemeint«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. »Ich wollte damit nur sagen, dass solche Dinge Probleme machen können, mit denen man erst gar nicht rechnet. Und dass es für den Partner ebenfalls schwierig ist.«
Bryony lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Ich möchte nur, dass das alles aufhört.«
»Ich glaube, für Sie hat es schon aufgehört«, antwortete ich.
»Da bin ich fast sicher. Und nun wollen wir dafür sorgen, dass es für alle anderen auch aufhört.«
Sie lehnte sich an Gabe, der ihr zärtlich übers Haar strich. Plötzlich empfand ich ein klein wenig Neid, und da ich mich außerdem vollkommen überflüssig fühlte, verabschiedete ich mich.
30. KAPITEL
Als ich von der belebten Hauptstraße nach links in die Sackgasse abbog, in der Will wohnte, war ich ein wenig überrascht. Wie er am Telefon gesagt hatte, handelte es sich bei seinem Haus um eine kleine viktorianische Doppelhaushälfte, die Seite mit der flaschengrünen Tür und dem schwarzen Eisentor, nicht die mit der unordentlichen Ligusterhecke und dem zugenagelten Fenster im ersten Stock. Was er nicht verraten hatte, war, dass diese beiden die einzigen alten Häuser in einer großen neuen Wohnanlage waren, bestehend aus mehreren hohen Wohnblöcken, einem Netzwerk aus Gehwegen und Parkplätzen und einem kleinen Spielplatz mit Karussell.
Zwei rauchende Teenager schwangen auf den für Kleinkinder gedachten Schaukeln hin und her und ließen dabei ihre Absätze über den gummierten Asphalt schleifen. Wills Haus sah mit seinem Vorgarten und dem ordentlichen Zaun ziemlich surreal aus, als wäre es aus irgendeiner mittelständischen Wohnstraße herausgerissen und aus Versehen hier abgesetzt worden.
Ich glaube, ich hatte mir vorgestellt, er würde die Tür öffnen und mich sofort hineinzerren, woraufhin wir uns tief in die Augen blicken und einander in die Arme sinken würden. Natürlich war die Realität ganz anders. Als Will mir die Tür aufmachte, hielt er ein schnurloses Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt und winkte mich wortlos herein. Dann verschwand er mit seinem Telefon in die Küche und ließ mich allein im Wohnzimmer stehen, wo das Lächeln auf meinen Lippen langsam erstarb.
Immerhin gab mir das Gelegenheit, mich ein wenig umzusehen. Das Zimmer war fast leer; es standen genau vier Gegenstände darin: ein wundervoll großes und tiefes senfgelbes Sofa, eine elegante Stereoanlage in der Ecke, ein Drehständer voller CDs und einer von jenen schönen Apothekerschränken mit Dutzenden kleinen Schubladen, die man für mehrere tausend Pfund in den überteuerten Antiquitätenläden Nord-Londons erstehen konnte. Das war alles. Kein Tisch, keine weiteren Sitzgelegenheiten, kein Fernseher oder Videorecorder. Keine Bücherregale, keine Haken mit Mänteln und Jacken, keine Bilder oder Fotos an den weißen Wänden. Kein Krimskrams, der über den ganzen Raum verteilt war. Ich musste an meine Wohnung denken: egal, wie ordentlich und karg sie auch sein mag, es liegt und steht trotzdem alles Mögliche herum
– Stifte und Notizblöcke, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, dekorative Schalen mit Würfeln oder Schlüsseln oder einem einzelnen Paar Ohrringe, Kerzenhalter, Spiegel, Gläser, Blumen. Hier aber gab es absolut nichts vom üblichen Krempel des täglichen Lebens.
Ich zog meine Wildlederjacke aus, legte sie über die Armlehne des Sofas und warf einen Blick auf die CDs. Ich konnte keinen einzigen mir bekannten Namen entdecken.
Ich ging zu dem Schrank hinüber und zog vorsichtig eine der Schubladen auf. Sie war leer, ebenso wie die nächsten drei. In der fünften fand ich einen Vorrat Büroklammern und mehrere Schubladen später eine zerbrochene Schachfigur. Sonst nichts.
»Tut mir Leid.«
Erschrocken fuhr ich zusammen. Er war lautlos wie eine Katze hereingeschlichen und hatte mich dabei ertappt, wie ich in seinen Sachen herumschnüffelte – bloß, dass er keine Sachen zu besitzen schien.
»Lebst du wirklich hier?«
»Wie meinst du das?«
»Na, das hier.« Ich machte eine ausladende Handbewegung. »Was tust du, wenn du dich hier aufhältst? Hier ist doch nichts. Nichts, was auf deine Anwesenheit hindeutet. Richtig unheimlich. Das ist nicht mal mehr minimalistisch, sondern absolutes Minimum.«
»So ist es auch gedacht.«
»Wie lange wohnst du schon hier?«
»Zwei Jahre.«
»Zwei Jahre! Du hast in zwei Jahren gar
Weitere Kostenlose Bücher