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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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nicht.«
    »Ein Grabscher?«
    »Manche legen einem die Hand auf die Schulter oder aufs Knie und tätscheln einen, wenn sie mit einem reden.
    Bäh!« Sie schauderte. »Widerliche Typen. Als ob wir nicht wüssten, was sie da machen. Will macht das nicht.
    Er bleibt auf Abstand.«
    »Gut. Was ist mit Gabriel Teale? Hat Daisy je seinen Namen erwähnt?«

    »Gabriel? Was ist denn das für ein blöder Name für einen Mann? Nie von ihm gehört.«
    »Er betreibt das Sugarhouse .«
    »Ach, das. Das kenn ich natürlich.«
    »Ist Daisy da jemals gewesen?« Ich bemühte mich, meine Stimme nicht allzu drängend klingen zu lassen.
    »Klar. Viele von uns haben schon mal dort gearbeitet.
    Ich nicht. Nicht mein Ding. Daisy schon, da bin ich ganz sicher. Sie musste lernen, Räder zu schlagen.« Sie lächelte. »Zum Schluss hatte sie das richtig gut drauf. Sie konnte es total gerade, viele Räder am Stück, sogar durch die Tür in einen Raum hinein.«
    Vor Aufregung lief es mir kalt über den Rücken. Ich zog das Theaterprogramm aus meiner Tasche und hielt ihr die Rückseite hin. »Erinnerst du dich, dass ihr mir bei unserem ersten Treffen erzählt habt, es habe schon mal jemand Fragen über Lianne gestellt? Ist das der Mann?«
    Ich deutete auf das Foto von Gabe.
    Sie warf einen Blick darauf. »Nein, ganz bestimmt nicht!«
    Sie kicherte. »Die Person, die hinter Lianne her war, war eine Frau.«
    Ich erstarrte. »Das habt ihr mir gar nicht gesagt«, stieß ich hervor.
    »Sie haben uns nicht danach gefragt.«
    Ich zog Bryonys Bild aus der Tasche. »Dann war es vielleicht die hier?«
    Sylvia kniff im Dämmerlicht die Augen zusammen.
    »Nö.«
    »Bist du sicher?«
    »Ganz sicher. Sie hat ihr überhaupt nicht ähnlich gesehen. Die Frau, die ich meine, war blond.«

    Benommen zog ich ein anderes Foto heraus. »So wie die hier?«
    »Ja. Ja, das ist sie. Da bin ich ganz sicher. Sie hat herumgeschnüffelt und mit ihrer vornehmen Stimme Fragen gestellt. Wer ist das?«
    Ich blickte auf das Gesicht hinunter, berührte es sanft mit einem Finger.
    »Philippa Burton.« Sylvia sah sich das Foto an. Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht, eine Spur von Härte.
    »Hat sie Lianne umgebracht?«
    »Nein«, antwortete ich. Dann: »Ich weiß es nicht.«
    »Sie schauen so komisch, geht es Ihnen nicht gut?«
    »Ich bin bloß durcheinander, Sylvia. Möchtest du jetzt deine Zuckerwatte?«
    »Nehmen Sie auch eine?«
    »Nein.«
    »Warum nicht? Warum lassen Sie sich nicht mal ein bisschen gehen?« Sie wandte mir ihr zartes, gewitztes Gesicht zu und musterte mich prüfend. »Sie sollten sich mal so richtig entspannen!«
    Ein seltsames Gefühl von Ausgelassenheit bemächtigte sich meiner. »Also gut, ich nehme eine riesige rosa Zuckerwatte.«
    »Cool. Und hinterher fahren wir mit dem da.« Sie deutete zur Krake hinüber, deren Arme sich so schnell drehten, dass ich die Gesichter der schreienden Fahrgäste kaum erkennen konnte.
    »Ich überleg’s mir.«
    »Lassen Sie das Überlegen. Kommen Sie!«
    Ich aß die Zuckerwatte. Sie blieb in meinem Haar kleben und Schmolz auf meiner Wange. Dann bestiegen Sylvia und ich die Krake.
    »Ich will das eigentlich gar nicht.«
    Sylvia kicherte. Die Krakenarme setzten sich in Bewegung, erst langsam, dann immer schneller, und jeder Wagen drehte sich zusätzlich mit Schwindel erregendem Tempo um die eigene Achse. Ich versuchte, etwas zu sagen, aber meine Wangenmuskeln schienen völlig erschlafft zu sein. Die Welt sauste verschwommen vorbei.
    Die Zentrifugalkraft drückte mich nach hinten in meinen Sitz, mein Magen befand sich irgendwo anders, mein klebriges Haar peitschte gegen mein Gesicht.
    »Verdammt!«, brachte ich schließlich keuchend heraus.
    »Schreien Sie!«, rief mir Sylvia ins Ohr. »Schreien Sie sich die Seele aus dem Leib!«
    Ich legte den Kopf zurück und öffnete den Mund. Ich schrie, bis meine Stimme alle anderen übertönte. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib.

    44. KAPITEL
    Wieder fummelte ich mit meinem Kassettenrekorder herum, was der skeptische, unverhohlen missbilligende, von verächtlichem Schnauben begleitete Blick von Detective Inspector Guy Furth und der enttäuschte, peinlich berührte von Detective Chief Inspector Oban nicht gerade leichter machten. Beide Männer waren längst mit anderen Dingen, neuen Fällen beschäftigt und mussten sich nun mit einer fanatischen Frau herumschlagen, die nicht aufhören konnte – nein, noch schlimmer, einer Frau, die in Obans Büro unter einem Tisch kauerte und es

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