Das rote Zimmer
gefüllt hatte. »Zumindest hat er sich angehört, was ich zu sagen hatte. Das trifft es wohl am ehesten. Dann hieß es sinngemäß bloß: Der Fall ist abgeschlossen, verschwenden Sie nicht unsere Zeit, versuchen Sie ja nicht, uns davon zu überzeugen, dass das Leben komplizierter ist, als wir dachten, und zwingen Sie uns nicht, unseren Job gewissenhaft zu machen.«
Lachend hielt ich inne. Ich hatte mich dabei ertappt, wie ich mit dem Zeigefinger wild in Julies Richtung gestikulierte und sie ein wenig zurückgewichen war.
»Ich bin nicht Oban«, meinte sie, ebenfalls lachend.
»Mich musst du nicht überzeugen. Oder doch, eigentlich schon. Ich muss nämlich zugeben, dass ich noch nicht so ganz verstehe, wovon du eigentlich sprichst. Willst du wirklich darauf hinaus, dass die nette Fotografin diesem seltsamen Doll dabei geholfen hat, Leute umzubringen?«
»Nein, nein, Doll hatte nichts damit zu tun. Sie hat ihrem Mann geholfen, Gabriel.«
Julie nahm einen weiteren Schluck von ihrem Rotwein.
»Ich weiß nicht«, meinte sie. »Wahrscheinlich hätte ich dir diese Frage schon vor unseren drei Drinks stellen sollen.
Ich meine, das sind doch nette Leute. Er arbeitet für ein Theater. Warum um alles in der Welt hätten sie diese Frauen umbringen sollen?«
»Und Doll.«
»Wie bitte? Doll ist doch von anderen Leuten umgebracht worden, oder nicht?«
»Nein.«
»Aber du hast mir erzählt, dass sie sogar eine Nachricht hinterlassen haben.«
»Ja, das stimmt. ›Mörderischer Bastard‹, Letzteres mit einem lächerlichen Fehler. Das war absolut erbärmlich, aber ich war von Dolls Anblick so geschockt, dass ich nicht weiter darüber nachdachte. Glaubst du, jemand, der nicht mal ›Bastard‹ richtig schreiben kann, würde ein Wort wie ›mörderisch‹ gebrauchen? Weißt du noch, was ich über die Leichen von Lianne und Philippa gesagt habe? Ihre Verletzungen sahen aus, als hätte jemand ohne große Überzeugung den Psychopathen gespielt. Du solltest mal sehen, was ein richtiger Psychopath mit einem Frauenkörper anstellt.«
»Ich glaube, darauf kann ich verzichten«, erwiderte Julie.
»Demnach waren das also nette Mörder?«
»Sie haben es zumindest nicht aus Spaß an der Freude getan, sondern weil sie das Gefühl hatten, es tun zu müssen.«
»Aber warum, zum Teufel?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer, aber das macht nichts. Das ist das Gute daran. Vorher passte nichts zusammen, jetzt passt alles. Wie sich herausgestellt hat, gab es eine Verbindung zwischen diesem armen Mädchen, Daisy, und Gabe Teale. Ich habe mich gestern mit einer Freundin von ihr getroffen, die mir erzählt hat, Daisy habe im Sugarhouse gearbeitet. Lianne hat sich wegen Daisy Gedanken gemacht und wird bald darauf ermordet.
Außerdem habe ich herausgefunden, dass Philippa Burton auf der Suche nach Lianne war.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Die Notiz, die ich in ihrem Zimmer gefunden habe, beweist, dass sie auf eine Verbindung zwischen Lianne und Bryony gestoßen war. Prompt wird auch sie ermordet. Jetzt habe ich den Beweis erbracht, dass Bryony an Philippas Entführung beteiligt war.«
»Hast du das wirklich?«, fragte Julie skeptisch.
»Absolut. Wo war ich vorhin stehen geblieben?«
»Weiß nicht.«
»Michael Doll. Der so genannte Überfall auf Bryony hat nie einen Sinn ergeben. Nach den vielen Zeitungsberichten über Michael Doll waren die meisten Leute davon überzeugt, dass er Lianne umgebracht hatte. Für Gabriel und Bryony aber bedeutete es nur, dass er am Tatort gewesen war. Vielleicht hatte er etwas gesehen. Vielleicht hatte er sich sogar mit ihnen in Verbindung gesetzt und sie erpresst. Sie unternahmen einen halbherzigen Versuch, ihn zu überfallen, ihm eine über den Kopf zu ziehen und ihn in den Kanal zu werfen, was auch immer, vielleicht wollten sie es wirklich so aussehen lassen, als wären es Leute von einer Selbstschutzgruppe gewesen, aber dann taucht plötzlich dieser Terence Mack auf, Bryony landet in seinen Armen, Gabe sucht das Weite, und Doll hat keinen blassen Schimmer, was eigentlich vor sich geht, sodass es für alle nach einem Überfall auf Bryony aussieht. Kein Wunder, dass sie in einem so traumatisierten Zustand war.«
»Und …«
»Und deswegen begeben sie sich – nein, wahrscheinlich nur Gabe, denn Bryony gilt ja inzwischen als gefährdet und steht unter Polizeischutz – in Dolls Wohnung, um es beim zweiten Mal richtig zu machen. Seit die beiden Philippa dazu gebracht hatten, Gabe auf einen kurzen Plausch
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