Das rote Zimmer
und wir haben die Bänder.
Stundenlange Gespräche.«
»Und das nennen Sie ermitteln?«, fragte ich verblüfft.
»Eine Beamtin, die mit ihm flirtet?«
Furth beugte sich vor und starrte mich mit eindringlicher Miene an. »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen«, antwortete er in verschwörerischem Tonfall. »Wir möchten nur Ihre professionelle Meinung über ihn hören. Ganz inoffiziell.
Es würde auch nicht lange dauern. Sie brauchten nur einen Blick in seine Akte werfen und dann kurz mit ihm sprechen. Sie wissen ja, wie so was läuft – einfach eine erste Beurteilung.«
»Ich soll mit ihm reden?«
»Ja, klar. Haben Sie damit ein Problem?«
Natürlich hatte ich damit ein Problem, und nun, da ich mir dessen bewusst geworden war, konnte ich nicht mehr Nein sagen. »Kein Problem«, antwortete ich. »Diese Frau, Colette Dawes, weiß sie, was sie tut?«
Furth zog ein Gesicht. »Sie kann gut auf sich selbst aufpassen. Wir sind sowieso immer in der Nähe. Hören Sie, Kit, ich verstehe durchaus, dass Sie Bedenken haben.
Wir dachten bloß, das Ganze würde Ihnen vielleicht gut tun.« Er nahm einen Schluck von seinem Bier. Und gleichzeitig wolltet ihr sicherstellen, dass ich euch nicht auf Schmerzensgeld verklage, schoss mir durch den Kopf.
»Vielen Dank, Herr Doktor«, sagte ich laut. »Vielleicht würde es mir tatsächlich gut tun.«
»Also, was meinen Sie?«
Ich stand auf, ging zum Fenster und sah auf die zwischen den Rückseiten von Bürogebäuden verborgene Rasenfläche hinaus. Es war inzwischen Abend geworden, aber längst nicht dunkel. Das Licht wechselte gerade von hartem Gelb zu Gold.
»Es ist eine Pestgrube, müssen Sie wissen«, erklärte ich.
»Was?«
»Während der Zeit der Pest wurden dort Leichen in eine Grube geworfen. Mit ungelöschtem Kalk bedeckt.
Begraben. Vergessen.«
»Ganz schön gruselig.«
»Nein, überhaupt nicht.« Ich drehte mich wieder zu ihm um.
»Bis jetzt kann ich nur sagen: Ich weiß nichts über Ihren Fall. Dass diese Frau für Sie Mata Hari spielt, halte ich für eine Schwachsinnsidee. Ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich ist, und ich will es auch gar nicht wissen.
Mir erscheint das Ganze reichlich verantwortungslos. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es illegal ist, aber letztendlich bin ich Ärztin, keine Juristin.«
»Lassen Sie mich Ihre Entscheidung trotzdem wissen?«
»Ja.«
»Wann?«
»Reicht es in ein paar Tagen? Ich muss vorher noch mit jemandem sprechen.«
»Sie rufen mich an?«
»Ja.«
Nachdem er gegangen war, starrte ich noch lange Zeit aus dem Fenster. Nicht aus dem vorderen, Furth hinterher.
Nein, ich starrte auf das Gras hinaus, sah, wie sich im Abendlicht sein Grün veränderte, immer blasser wurde.
Leichen. Überall Leichen.
4. KAPITEL
Ich rief Rosa sofort zu Hause an. Ich konnte nicht warten.
»Ich hatte Besuch von Furth«, informierte ich sie.
»Von wem?«
»Dem Detective, der damals dabei war, als es passierte.
Als ich angegriffen wurde.«
Ich erzählte ihr die ganze Geschichte, und während ich redete, erschien sie mir selbst immer bizarrer und unwahrscheinlicher.
»Und was hast du geantwortet?«, fragte sie schließlich.
»Ich war völlig perplex.«
»Aber neugierig.«
»Neugierig? Ich fühlte mich magisch angezogen.«
»Was bedeutet das, Kit?«
»Ich wache nachts auf. Manchmal wache ich auch nicht auf, es scheint kaum einen Unterschied zu machen. In meinem Kopf erlebe ich es immer wieder, als würde es mir gerade erst passieren. Oder als stünde es mir kurz bevor, und ich könnte etwas tun, um es zu verhindern, die Uhr zurückdrehen. Es ist, als wäre ich wieder in diesem Raum, und um mich herum überall frisches rotes Blut.
Meines. Seines.«
»Und deswegen möchtest du Doll Wiedersehen und ihn auf seine normale menschliche Größe reduzieren?«
»Du bist einfach eine kluge Frau.«
»Weißt du, ich bin immer der Meinung gewesen, dass es gar nicht so wichtig ist, klug zu sein. Hör zu, Kit, ich werde dir jetzt einfach zwei Dinge sagen, die dir wahrscheinlich schon klar waren, als du beschlossen hast, mich anzurufen. Erstens: Tust du dir wirklich etwas Gutes, wenn du diesen Mann triffst? Und zweitens: Spielt es überhaupt eine Rolle, ob du dir damit etwas Gutes tust oder nicht? Man hat dich gebeten, einen Job zu machen.
Fühlst du dich dazu im Stande?«
»Ja. Ich glaube schon.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte kurzes Schweigen.
»Es ist gefährlich, jemanden um Rat zu fragen, Kit. Man bekommt nicht immer den,
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