Das rote Zimmer
Fällen, wo sich Entführungsopfer in ihre Kidnapper verlieben.«
Er warf einen schnellen Blick zu Oban hinüber, dann wandte er sein besorgtes Gesicht wieder mir zu. »Wir waren der Meinung, Ihnen damit zu helfen, aber mittlerweile ist mir klar, dass wir uns getäuscht haben. Es war noch zu früh. Vielleicht sollten wir Ihnen jetzt einfach danken und Sie für Ihren Zeitaufwand entschädigen.«
Ich bemühte mich um einen möglichst gleichgültigen Ton.
»Sie haben Colette Dawes damit beauftragt, Michael Doll ein Geständnis zu entlocken. Hat sie gewusst, worauf sie sich einließ? Oder hat sie sich da spontan zu etwas hinreißen lassen?«
»Er ist ein Mörder«, erwiderte Furth, der sich nun keine Mühe mehr gab, seine Verachtung zu verbergen. »Wir wissen das, und Sie sollten es verdammt noch mal auch wissen. Wir müssen es nur noch vor einer Jury beweisen.
Kollegin Dawes hat unter sehr schwierigen Bedingungen gute Arbeit geleistet.«
Ich sah ihm in die Augen. »War das Ganze Ihre Idee?«
Es kostete Furth offensichtlich große Mühe, ruhig zu bleiben. »Wir haben einen Mörder verhaftet«, erklärte er.
»Zumindest bin ich dieser Meinung. Wir haben Indizien gesammelt, und wir haben ein Geständnis. Vielleicht sind wir, um es zu bekommen, ein wenig zu weit gegangen, aber ich hätte gedacht, dass gerade Sie dafür Verständnis haben würden, Kit. Wir sind auf der Seite der Frauen –
derjenigen, die getötet worden ist, und der anderen, die seine nächsten Opfer sein werden.«
»Ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden.«
Ich hörte das Zittern in meiner Stimme. War es Nervosität oder Wut? »Ich schließe keinesfalls aus, dass Michael Doll diese Frau umgebracht hat, aber Sie können es nicht beweisen. Ich sitze hier als Ärztin, die mit emotional Gestörten und geisteskranken Verbrechern arbeitet, nicht als Juristin, aber ich nehme an, dass dieses Band als Beweismittel in einem Prozess auf keinen Fall zugelassen würde. Ich wage sogar zu behaupten, dass jeder Richter, der davon erführe, den ganzen Prozess sofort wegen absolut unzulässiger Ermittlungsmethoden in Frage stellen würde.« Ich betrachtete sein attraktives Gesicht. »Wenn ich Sie wäre, würde ich das Band in einem ganz tiefen Loch vergraben und beten, dass Dolls Anwalt nie davon erfährt. Auf jeden Fall möchte ich mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben.«
»Das ist der erste vernünftige Satz, den Sie heute von sich gegeben haben.«
Das brachte das Fass zum Überlaufen.
»Diese ganze Geschichte«, erklärte ich atemlos, »ist eine einzige riesige Schweinerei! Und Sie« – das ging an die Adresse von Jasmine Drake – »sollten es eigentlich besser wissen. Nicht nur als Polizistin, sondern einfach als Frau.
Und Sie auch!« Ich wandte mich an DCI Oban, der ein wenig abseits saß, einen verdutzten Ausdruck im Gesicht.
Ich starrte wütend auf den vor mir liegenden Bericht hinunter, den Bericht, der in so ruhiger und wissenschaftlicher Sprache verfasst war.
Oban gab mir keine Antwort. Stattdessen stand er auf und öffnete die Tür, wobei er Furth mit einem finsteren Blick bedachte, der mich an einen sehr alten, faltigen Bluthund erinnerte. »Lasst ihn gehen«, sagte er in sanftem, fast beiläufig klingendem Tonfall.
»Wen?«
»Mickey Doll. Sonst noch was?« Keiner sagte ein Wort.
Oban richtete den Blick auf mich. »Schicken Sie uns Ihre Rechnung, Doktor, oder wie man das bei Ihnen nennt.
Vielen Dank.« Aber er klang nicht sehr dankbar. Ich hatte ihm den Tag verdorben. Dann ging er, gefolgt von Jasmine Drake, die mir einen schnellen Blick aus schmalen Augen zuwarf, ehe sie nach draußen auf den Gang trat.
Ich war allein mit Furth, der schweigend dasaß und die Wand anstarrte. Ich stand auf. Das Geräusch, mit dem mein Stuhl über den Boden scharrte, ließ ihn aus seiner Träumerei erwachen. Er schien überrascht, dass ich noch da war. Seine Stimme klang, als würde er noch immer träumen. »Es wird Ihre Schuld sein«, sagte er, »wenn er es wieder tut. Er hat Sie angegriffen, er hat dieses Mädchen umgebracht, und irgendwo da draußen ist eine Frau, der er
– wahrscheinlich, oder sollen wir sagen, mit ziemlicher Sicherheit? – als Nächstes etwas antun wird.«
»Auf Wiedersehen, Furth«, antwortete ich im Gehen.
»Ich muss, ähm, Sie wissen schon …«
»Werfen Sie ab und zu mal einen Blick in die Zeitung«, rief er mir mit lauter Stimme nach, damit ich es ja noch hörte. »Diese Woche, nächste Woche –
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