Das rote Zimmer
zum Reden.«
»Oder einen Freund.«
»Das läuft auf dasselbe hinaus.«
»Ja«, gab ich ihr Recht. »Wie lange kennen Sie ihn inzwischen?«
»Nicht lange. Ein paar Wochen.«
»Wenn ich richtig verstanden habe, gab es drei oder vier aufgezeichnete Gespräche, und der Teil, den ich gehört habe, stammte aus dem letzten. Stimmt das?«
»Ja.«
»Wie waren die ersten?«
»Wie meinen Sie das?«
»Hat er über den Mord gesprochen?«
»Nein.«
»Haben Sie das Thema zur Sprache gebracht?«
»Ein wenig.«
»Hat er sofort darüber gesprochen?«
»Ich musste erst sein Vertrauen gewinnen.«
»Sie meinen, er musste Vertrauen zu Ihnen fassen, bevor er Ihnen erzählte, dass er jemanden ermordet hatte?«
»Er hat nicht direkt gestanden, oder? Das ist ja der Grund, warum man Sie hinzugezogen hat.«
Ich stützte mich mit beiden Ellbogen auf den Tisch, was den Abstand zwischen Colette und mir drastisch verringerte. »Wissen Sie, ich habe schon mit vielen Leuten gesprochen, die schreckliche Probleme, schreckliche Dinge getan hatten. Die erste Hürde ist in solchen Fällen immer, den Leuten das Gefühl zu vermitteln, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, ehrlich zu sein und alles zu erzählen. Wie haben Sie das geschafft?«
»Haben Sie eine Zigarette für mich?«, fragte sie.
»Wie es der Zufall so will, ja«, antwortete ich und zog das für Doll bestimmte Päckchen aus der Tasche.
»Ich habe ihn dazu ermutigt, offen zu sprechen«, erklärte sie.
»Ich habe ihn nach seinen Geheimnissen gefragt.«
»Sie haben ihn nach seinen Geheimnissen gefragt, und daraufhin hat er ihnen erzählt, er habe einen Mord begangen?«
»Nein, so war es nicht. Ich habe mit ihm über seine Fantasien gesprochen.«
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, hat sich das nicht im Pub abgespielt. Diese Gespräche haben in seiner Wohnung stattgefunden.«
»Ja.«
»Sie haben das Gespräch auf die Themen Sex und Gewalt gelenkt.«
Sie zog an ihrer Zigarette. »Ich habe ihn ermutigt zu reden. Wie man das eben macht. Wie Sie das machen.«
»War es so eine Art Quidproquo? Haben Sie ihm Ihre eigenen Fantasien erzählt und ihn dann aufgefordert, es Ihnen gleichzutun?«
»Ich habe versucht, ihn zum Reden zu bewegen. Ich musste ihm zeigen, dass mich nichts schockieren würde, was er mir auch zu erzählen hätte.«
»Aber die ersten zwei langen Gespräche, die Sie mit Doll geführt haben, waren nicht sehr ergiebig?«
»Nicht besonders.«
»Natürlich haben sich Furth und die anderen die Bänder angehört.«
»Natürlich.«
»Und sie haben gesagt, sie seien nicht ergiebig.«
»Sie waren nicht ergiebig.«
»Und daraufhin haben die Kollegen gesagt: ›Versuch es noch mal und sieh zu, dass du was aus ihm herauskriegst.‹«
»Nicht direkt.«
»Aber sie haben gesagt, dass Sie sich noch mehr bemühen sollen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich stelle mir vor, dass sie so was gesagt haben wie:
›Warum sollte Doll dir was erzählen? Du musst ihn ein bisschen mehr ermutigen.‹«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich habe ihn bloß zum Reden gebracht.«
»Absolut. Was ich gehört habe, war großartiges Material. Wirklich widerlich. Keine Frage, Colette, Sie haben es noch mal versucht und bekommen, was Sie wollten.«
»Ich habe nur meinen Job gemacht.«
»Sie treffen sich mit diesem seltsamen, gestörten, extrem unsozialen Mann, und schon beim dritten oder vierten Treffen präsentiert er Ihnen eine schauerliche Fantasie über den Mord an einer Frau. Sie wissen, worauf ich hinauswill, nicht wahr?«
»Ich habe nur meinen Job gemacht.«
Ich beugte mich vor, bis sich unsere Nasen fast berührten.
»Haben Sie mit Michael Doll geschlafen?«
Sie zuckte zurück. »Nein.« Ihre Stimme war nur ein Flüstern. Dann wiederholte sie etwas lauter: »Nein.«
Ich fixierte sie beharrlich. »Sie waren verkabelt.
Vielleicht wäre Sex im engeren Sinn problematisch gewesen, aber vielleicht war es nicht Sex im engeren Sinn.«
»Nein«, antwortete sie mit einem Kopfschütteln. Sie rieb sich den rechten Augenwinkel.
»Gut«, sagte ich in sanftem Ton. »Lassen Sie uns aufbrechen.«
Schweigend gingen wir zurück. Auf der Treppe, die zum Revier hinaufführte, blieb ich stehen und hielt sie zurück.
»Colette«, sagte ich.
Sie sah mich nicht an.
»Wer hat Sie auf Ihre Aufgabe vorbereitet? Wer hat Ihnen Ratschläge erteilt?«
»Nur Furth.«
»Okay«, sagte ich. »Und was für ein Gefühl haben Sie, wenn Sie jetzt an die Sache denken?«
»Was sollte ich für
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