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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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»Das ist Julie, die zur Zeit bei mir wohnt und die heute Abend gekocht und, na ja, eigentlich alles gemacht hat. Und das hier ist Francis, der mit mir in der Klinik arbeitet. Und das Catey, ähm, eine alte Freundin von mir, und ihr Freund Alastair.«
    »Alastair arbeitet in der City«, warf Catey ein. »Was er da genau macht, ist mir natürlich völlig schleierhaft. Habt ihr das gewusst? Ich habe kürzlich im Radio gehört, dass sechzig Prozent der Leute keine Ahnung haben, womit sich ihr Partner in der Arbeit beschäftigt. Ach, übrigens, Kit, was ist denn mit dem Typen passiert, mit dem du, du weißt schon …«
    Ich war versucht zu sagen, nein, ich weiß nicht, antwortete dann aber brav, dass wir nicht mehr zusammen seien und seitdem Funkstille herrsche. Francis öffnete den Champagner und schenkte sich ein Glas ein. Dann begann er im Raum herumzuwandern und die Möbel, Bilder und Bücher unter die Lupe zu nehmen, als wolle er eine psychologische Analyse von mir erstellen, was er natürlich auch tat. Ich musste bei seinem Anblick an die Sommertage denken, an denen sich eine große dicke Hummel durch ein Fenster in die Wohnung verirrte und brummend herumflog, bis es mir gelang, sie mit Hilfe einer Zeitschrift wieder nach draußen zu befördern. Catey sprach inzwischen darüber, was für eine interessante Gegend das doch sei und wie clever es von mir gewesen war, mich früh genug hier niederzulassen.
    Nachdem Francis seine inoffizielle Besichtigungstour beendet hatte, setzte er sich zwischen mich und Julie aufs Sofa. »Wie gefällt’s dir denn wieder in der Arbeit?«, fragte er und beendete damit das Gespräch über den Londoner Wohnungsmarkt.
    »Das ist eine schwierige Frage«, antwortete ich.
    »Du machst immer noch dasselbe, oder?«, fragte Catey munter.
    »Na ja …«
    »Vorhin im Taxi habe ich Alastair erzählt, was du tust.
    Ich bin auf das Thema gekommen, weil ich mich gefragt habe, ob du vielleicht etwas über diesen schrecklichen Mord weißt, der kürzlich passiert ist.«
    Verblüfft starrte ich sie an. Wie um alles in der Welt konnte Catey – die meines Wissens immer noch in einer Galerie arbeitete – von meiner Verbindung mit dem Lianne-Mord gehört haben?
    »Welchen Mord?«
    »Den in Hampstead Heath. Die Mutter, die mit ihrer Tochter am Spielplatz war, von einem Moment auf den anderen spurlos verschwand und später tot aufgefunden wurde. Philippa Burton.«
    »Nein, damit habe ich nichts zu tun.«
    »Es ist wie bei Lady Di. Die Leute legen an der Straße, die nicht weit vom Tatort entlangführt, Blumen nieder.
    Das Blütenmeer erstreckt sich schon über mehr als hundert Meter. Jemand hat ein Buch hingelegt, in das man sich einschreiben kann. Ali und ich sind hinmarschiert, um uns das Ganze anzusehen. Es ist wirklich außergewöhnlich.

    Der Verkehr kommt zum Erliegen, überall sieht man Polizisten, und die Leute stehen Schlange. Die Frauen haben teilweise geweint, manche Männer ihre Kinder auf die Schultern gehoben, damit sie auch etwas sehen konnten. Warum machen die Leute so was?«
    »Wie denkst du darüber, Francis? Als Fachmann, meine ich.«
    Er sah mich bestürzt an. »Das ist natürlich nicht so ganz mein Ressort. Vielleicht glauben die Leute, dass ein Ort, an dem etwas passiert ist, egal, ob etwas Gutes oder Schlechtes, eine besondere Energie ausstrahlt. Wie Hitze.
    Die Leute gehen hin, um etwas von dieser Energie abzubekommen.«
    »Außerdem ist es aufregend«, fügte ich hinzu. »Die Leute wollen möglichst nah ran, um das Gefühl zu haben, an dem ganzen Drama beteiligt zu sein.«
    »Bestimmt nehmen viele wirklich Anteil«, meldete sich Julie zu Wort. »Die Leute waren bestürzt, als sie davon hörten, und wollen das auch zeigen. Da ist nichts Schlimmes dran, oder?«
    »Nein«, antwortete ich und sah zu Catey hinüber. »Der Mord, an dem ich arbeite, ist an einem Ort passiert, wo niemand Blumen niederlegt.«
    »Warum?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Das Opfer war eine Obdachlose. Ihre Leiche ist unten am Kanal gefunden worden. Ich glaube nicht, dass an ihrem Tod jemand Anteil genommen hat.«
    »Das ist traurig«, sagte Catey, verfolgte das Thema aber nicht weiter.
    Nachdem Will Pavic um zehn nach neun noch immer nicht erschienen war, beschloss ich, mit dem Essen nicht länger zu warten. Auf Julies Drängen hin ließen wir den Platz neben ihr frei, falls er doch noch auftauchen sollte.
    Das mit Olivenöl marinierte Gemüse und das exotische Brot, das Julie irgendwo erstanden hatte,

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