Das rote Zimmer
betrunken. Als ich Poppy damals von dem Abend erzählte, meinte sie, das klinge doch ziemlich amüsant, aber live war es nicht besonders witzig gewesen. Francis hatte mir danach tagelang nicht in die Augen sehen können und nie wieder von dem Abend gesprochen. Trotzdem hatte ich irgendwie das Gefühl, mich eines Tages in irgendeiner Form revanchieren zu müssen, und dies schien mir eine gute Gelegenheit zu sein, nicht zuletzt deshalb, weil es so kurzfristig war, dass er mit ziemlicher Sicherheit keine Zeit haben würde. Ich rief ihn in der Arbeit an und sagte ihm, dass ich für den nächsten Abend ein paar Leute eingeladen hätte und ob er nicht auch kommen wolle. Großartig, antwortete er. Bis morgen also.
Dann gab es noch Catey. Ich hatte sie an der Uni kennen gelernt, weil ihr damaliger Freund der beste Freund eines Typen war, mit dem ich eine Weile was hatte. Zwischen Catey und mir bestand weiß Gott keine enge Verbindung, und es war auch keineswegs so gewesen, dass wir uns auf Anhieb besonders gut verstanden hatten. Da gab es Dutzende enger Freundinnen, zu denen ich allmählich oder auch plötzlich den Kontakt verloren hatte, aber meine lauwarme Beziehung zu Catey war über die Jahre hinweg durch ein stetes, beharrliches Tröpfeln von Einladungen aufrechterhalten worden. Mal war es ein Abendessen, im Jahr darauf eine Cocktailparty, und ich revanchierte mich mit einer Gegeneinladungsquote von etwa eins zu vier.
Auch in Cateys Fall hoffte ich, dass sie keine Zeit haben würde und ich wieder ein, zwei Jahre von meinen Verpflichtungen entbunden wäre. Als ich sie anrief, stellte sich tatsächlich heraus, dass sie am nächsten Abend schon etwas vorhatte, aber dann meinte sie:
»Nein, bestimmt kann ich das verschieben.« Sie wolle unbedingt, dass ich Alastair kennen lernte, ihren neuen Freund, mit dem sie so gut wie verlobt sei. Drei Minuten später rief sie mich zurück. Das gehe in Ordnung, sagte sie. Wir sehen uns morgen. Wunderbar, antwortete ich.
Julie bestand darauf zu kochen, und da die ganze bevorstehende Katastrophe auf ihrem Mist gewachsen war, protestierte ich nicht. Als ich kurz vor sieben nach Hause kam, war die Wohnung bereits von köstlichen Düften erfüllt. Das Wohnzimmer war tadellos aufgeräumt, der Tisch gedeckt. Ich ging in die Küche. Auf einer Seite stand eine große Platte, von der ich gar nicht mehr gewusst hatte, dass ich sie besaß. Julie musste in den hintersten Winkeln meiner Schränke herumgestöbert haben. Auf der Platte waren verschiedene Gemüse angerichtet, Tomaten, Auberginen, Zucchini, Zwiebelscheiben.
»Du hast gesagt, es muss nichts Besonderes sein«, erklärte Julie. »Das ist der erste Gang. Mariniertes Gemüse. Dann gibt es Risotto. Die Soße ist schon fertig.
Als Nachspeise habe ich Obst und Ricotta vorbereitet.«
»Ich habe Wein besorgt«, antwortete ich matt.
»Dann sind wir fertig.«
»Wie machst du das bloß?«
»Was?«
»Na, das alles! Das ganze Essen, die Tischdekoration, die, Gemüseplatte, die aussieht wie aus einer Zeitschrift.
Dabei liegen hier gar keine aufgeschlagenen, ölbefleckten Kochbücher herum!«
Julie lachte. »Ich kann gar nicht kochen. Das hier ist nicht Kochen. Ich habe bloß ein bisschen Gemüse gebraten oder gedünstet, ein wenig Olivenöl und einen Schuss Essig darüber gegeben und das Ganze mit ein paar Kräutern bestreut. Was du hier siehst, ist bloß Fastfood.«
»Ja, aber wo hast du gelernt, so was ohne großes Planen und Jammern hinzukriegen und dabei noch dazu kein Chaos anzurichten?«
Sie starrte mich verwirrt an. »Verglichen womit?«, fragte sie.
»Du wirst doch wohl nicht das Kochen von ein bisschen Reis damit vergleichen, loszuziehen und sich Leichen anzusehen und sich dann den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sie gestorben sind?«
Ich schnitt eine Grimasse. »Das war nun nicht gerade das, woran ich gedacht habe«, antwortete ich lahm.
»Lass uns lieber von deinem Kleid reden«, meinte Julie.
»Du hast es dir doch hoffentlich nicht anders überlegt?«
Julie sah in dem Kleid umwerfend aus. Mit ihrem zerzausten Haar, ihrer immer noch sonnengebräunten Haut, dem roten Lippenstift und einem Hauch von Mascara hätte sie besser in eine exotische Bar als Sängerin gepasst, als in meiner Wohnung mit ein paar eher unscheinbaren Freunden zu Abend zu essen.
»Du siehst fantastisch aus«, sagte ich, was sie mit einem Grinsen quittierte, als wäre das alles nur ein Spiel und wir beide kleine Mädchen, die sich zum Spaß mit
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