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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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ihn hinaus. Als sie zurückkam, murmelte sie mir zu: »Die Suche geht weiter!« Ich schaffte es, mit einem prustenden Lachen zu reagieren, war aber in Wirklichkeit ziemlich erschüttert und zog mich unter dem Vorwand, für Kaffeenachschub zu sorgen, in die Küche zurück, wo ich den ganzen Abwasch erledigte. Als ich mit der Kaffeekanne ins Wohnzimmer zurückkehrte, sah ich, dass mein Plan, mich bei diesen Leuten zu rächen, nicht so ganz funktioniert hatte. Francis sprach gerade über sich selbst, Julie über den Anblick des Taj Mahal in der Abenddämmerung, Catey über Alastair, und Alastair saß mit bescheidener Miene daneben. Ich musste nichts weiter tun als Kaffee nachschenken und meinen eigenen trinken.
    Als sie nach einer halben Ewigkeit aufbrachen, wurden Unheil verkündende Rufe laut, dass wir uns bald wieder sehen müssten, und Francis und Alastair tauschten auf der Treppe sogar ihre Telefonnummern aus – eine Albtraumvision. Was, wenn all die Leute, die mir einzeln schon Magenschmerzen bereiteten, sich nun verbündeten, um mir noch schwerer im Magen zu liegen?
    Endlich waren Julie und ich allein. Ich zog ein Gesicht.
    »Tut mir Leid, dass ich dir das angetan habe«, sagte ich.
    »Wieso denn?«, antwortete sie. »Ich fand sie nett. Und sie finden dich nett. Du liegst ihnen allen am Herzen – du hast Glück, so viele Freunde zu haben.« Einen kurzen Moment lang klang sie fast neidisch. »Ich sollte mich bei dir entschuldigen. Mein Pavic-Plan hat nicht funktioniert.«
    »Ist doch egal. Der Plan war okay, Pavic selbst ist das Problem.« Lächelnd griff sie nach ihrem Glas und leerte es. Dann legte sie mir eine Hand auf die Wange und küsste mich ganz leicht auf den Mund. »Falls ich jemals zur Lesbe mutiere«, erklärte sie, »wirst du die Erste sein, bei der ich einen Annäherungsversuch mache. Gute Nacht.«

    14. KAPITEL
    In einem Punkt hatte ich Recht gehabt – das Stöhnen war von der Zeugin gekommen, oder zumindest ein Stöhnen.
    Ein Polizeibeamter rief Mary Gould an, und sie sagte, sie sei sich nicht sicher, doch, ja, es sei schon möglich, dass sie aufgeschrien habe, als sie das arme Mädchen sah, doch, je länger sie darüber nachdenke, ja, jetzt sei sie sicher, sie habe tatsächlich aufgeschrien. Sie bekomme deswegen doch keine Schwierigkeiten, oder?
    Die Annahme, Lianne sei am Kanal getötet worden, war also falsch gewesen.
    »Was bedeutet«, sagte ich zu Furth, »dass kein Grund besteht, Doll mehr zu verdächtigen als jeden anderen.
    Stimmt’s?«
    »Lady«, antwortete er und reckte mir das Gesicht entgegen, sodass ich die gelben Flecken an seinen Zähnen sehen konnte, die Bartakne an seinem Hals, die feinen Linien um seinen Mund, »das ist doch alles Zeitverschwendung! Sie ist am Kanal ermordet worden, und zwar von Doll.«
    »Trotzdem wäre es die Mühe wert, sich andere Mordfälle anzusehen, meinen Sie nicht?«
    »Das haben wir schon getan. Gil und Sandra haben heute Vormittag vier Stunden damit zugebracht, die ungeklärten Londoner Mordfälle der letzten sechs Monate durchzugehen, sind aber auf keine Parallelen gestoßen. So viel zu Ihrer Theorie. Tut mir Leid. Wir können Ihnen nur diese eine Leiche bieten, keine spektakulären Serienmorde.«
    »Wonach haben Sie im Einzelnen gesucht?«, fragte ich.

    »Wie Sie wissen, sind wir ausgebildete Kriminalbeamte.
    Nach Ähnlichkeiten im Hinblick auf Tötungsart, Opfer, Tatort. All diese Dinge. Da war nichts. Keine Stadtstreicherinnen, keine verstümmelten Leichen, keine vergleichbaren Tatorte. Nichts. Null Komma nichts.«
    »Kann ich mir die Fälle auch mal ansehen?«
    Er rieb sich seufzend die Augen. »Sie sollen uns helfen und nicht bei der Arbeit behindern. Was erwarten Sie sich davon?«
    »Ich betrachte die Dinge aus einer anderen Perspektive«, antwortete ich sanft.
    Er zuckte müde mit den Achseln. »Wenn Sie gern Ihre Zeit verschwenden, bitte, das ist Ihre Sache.«
    »Es sind also viele?«
    »Um die dreißig, es sei denn, Sie wollen Ihre Suche auf die Bronx ausweiten.«
    »Wie kann ich Einblick in die Fälle bekommen?«
    »Wir werden einen Beamten bitten, seine Jagd auf Verbrecher einzustellen, dann können Sie an den freien PC.«
    »Wann?«
    Er warf einen Blick auf seine Uhr und murmelte etwas, das ich nicht verstand. Dann antwortete er: »In einer halben Stunde oder so.«
    »Danke.«
    »Darf ich Sie was fragen?« Sein Ton klang jetzt ernster.
    »Was?«
    »Sind Sie immer sicher, dass Sie Recht haben?«
    Ich blinzelte ihn an, spürte leichte

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