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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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schmeckten ganz ausgezeichnet. Es war wie in einem Nobelrestaurant, nur mit dem zusätzlichen Vorteil, auf seinen eigenen Stühlen sitzen zu können. Das Risotto hatte noch einen wundervollen Biss und war mit Sauerampfer gewürzt, den ich immer für ein Unkraut gehalten hatte. Catey war ungemein beeindruckt. Das Lob, das Julie für ihre Kochkünste einheimste, schien irgendwie auch mir zu gelten, als wäre ich der Impresario der ganzen Veranstaltung.
    Wir waren mit dem Hauptgang fast fertig, als es klingelte. Will stand in Jeans, einem blauen Hemd und Turnschuhen vor der Tür, eine Jacke unter dem Arm.
    Plötzlich fühlte ich mich overdressed, was absolut lächerlich war. Schließlich war er derjenige, der ein schlechtes Gewissen haben sollte. »Ich hatte einen schlimmen Tag«, erklärte er. »Ich hätte anrufen und absagen sollen, aber ich hatte Ihre Nummer nicht.«
    »Sie steht im Telefonbuch«, antwortete ich knapp.
    »Obwohl, ich weiß gar nicht, ob sie da noch steht, aber Sie hätten sie bestimmt irgendwie in Erfahrung bringen können. Kommen Sie rein. Leider haben wir mit dem Essen schon angefangen.«
    Er folgte mir nach oben. Im helleren Licht meines Wohnzimmers wirkte er müde und abgespannt. Ich stellte ihn den Leuten am Tisch vor, die plötzlich einen etwas belämmerten Eindruck machten, als hätten wir sie bei einer heimlichen Nascherei ertappt. Julie stand mit einem charmanten Lächeln auf, schüttelte seine Hand, ließ sie nicht mehr los und führte ihn an seinen Platz neben ihr. Im Vorbeigehen warf er seine Jacke aufs Sofa.

    »Sie werden sich ganz schön ins Zeug legen müssen, um uns einzuholen«, sagte Julie. »Haben Sie was dagegen, wenn ich Ihnen von allem was auf den Teller tue?« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Rot oder weiß?«
    »Egal.«
    Während der nächsten Minuten aß er ruhig vor sich hin, wobei er hin und wieder in die Runde blickte, sich ansonsten aber hauptsächlich auf sein Essen konzentrierte.
    »Vielleicht sollten wir versuchen, Will über den Stand der Gespräche in Kenntnis zu setzen«, schlug Julie vor.
    »Wie in einer Seifenoper. Wir haben über diese Wohngegend hier gesprochen. Ich habe meine üblichen Geschichten über meine Reisen durch die Welt vom Stapel gelassen. Sie kennen das alles noch nicht, Will, ich werd’s Ihnen später erzählen. Und Catey und Alastair haben sich die Stelle angesehen, wo in Hampstead Heath jemand ermordet worden ist, und sich ins Erinnerungsbuch eingeschrieben …«
    »Das haben wir gar nicht –«
    »… und Alastair hat gerade über seine Arbeit in der City gesprochen.«
    Pavic wandte sich an Alastair. »Wo arbeiten Sie denn?«
    »Cheapside, gleich um die Ecke.«
    »Für welche Firma?«
    Alastair sah ihn verblüfft an.
    »Hamble’s.«
    »Pierre Dyson.«
    »Ja, stimmt«, antwortete Alastair. »Ich meine, ich kenne ihn nicht persönlich, aber ja, er ist der Chef. Kennen Sie ihn?«
    »Ja.«

    Beide Männer schwiegen einen Moment.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Alastair dann. »Wie war noch mal Ihr Name?«
    »Will Pavic«, antwortete ich.
    »Warten Sie, warten Sie! Ich erinnere mich. Wahl Baker, stimmt’s?«
    Will machte inzwischen einen etwas verlegenen Eindruck.
    »Ja, stimmt.«
    »Es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen, Will. Ich habe schon so viel von Ihnen gehört.«
    »Du meinst, von dem Jugendhaus?«, mischte ich mich ein.
    »Nein, nein«, entgegnete Alastair in verächtlichem Ton.
    »Ich möchte deinen Gast nicht in Verlegenheit bringen, aber er hat zehn Jahre lang den Wahl-Baker-Fonds geleitet. Legendäre Jahre. Fantastisch.«
    »So fantastisch war das gar nicht«, gab Will gelassen zurück.
    »Da bin ich anderer Meinung«, widersprach Alastair.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie in der City gearbeitet haben«, sagte ich.
    »Tu ich ja auch nicht mehr«, antwortete Will. Dann schwieg er, und das Gespräch entwickelte sich in eine andere Richtung.
    Während des restlichen Essens warf ich immer mal wieder einen verstohlenen Blick zu Julie und Pavic hinüber. Ich bekam Bruchstücke ihrer Unterhaltung mit, erst ging es um irgendwas in Mexiko, dann um etwas anderes in Thailand. Seine Antworten waren knapp, und ich konnte nicht verstehen, was er sagte.
    Nach dem Essen zogen wir mit einer Tasse Kaffee oder Tee aufs Sofa um. Catey trank einen Kräutertee, der ziemlich medizinisch roch. Will bestand darauf, vorher noch rasch den Tisch abzuräumen, und so kam es, dass wir uns allein in der Küche wieder fanden.
    »Nicht so ganz Ihre Art

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