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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Leute, nehme ich an«, sagte ich.
    Er lächelte nicht. »Was wissen Sie schon über meine Art Leute? Die vier scheinen mir ganz in Ordnung zu sein.«
    »Ich habe damit auch mich gemeint.«
    Nun musste er doch lächeln, wenn auch ein wenig sarkastisch, wie mir schien.
    »Aber Julie ist nett, nicht wahr?«, bemerkte ich pflichtschuldig.
    »Ja, sie scheint wirklich recht nett zu sein.«
    Einen Moment lang schwiegen wir beide. »Ich kann gar nicht glauben, dass Sie Ihren Job in der City mit diesem Jugendhaus in Kersey Town vertauscht haben«, sagte ich dann.
    »Sie kennen das Leben in der City?«, erwiderte er.
    »Ich kenne Kersey Town.«
    »Zum damaligen Zeitpunkt hielt ich es für eine gute Idee.«
    »Und inzwischen?«
    Er öffnete den Mund, klappte ihn aber gleich wieder zu.
    Offenbar hatte er es sich anders überlegt. »Sie müssen entschuldigen«, erklärte er. »Ich glaube, das ist ein zu großes Thema für diese Küche und diesen Abend.«
    »Dann bin ich wohl diejenige, die sich entschuldigen sollte«, entgegnete ich. »Übrigens habe ich mit jemandem gesprochen, der Sie kennt.«
    In seinen Augen flackerte eine Spur von Interesse auf.
    »Ach, ja?«

    »Ein Detective namens Furth. Er arbeitet an dem Lianne-Fall. Kennen Sie ihn?«
    »Ja.«
    »Er hat mich vor Ihnen gewarnt.«
    »Das sieht ihm ähnlich.«
    »Ich mag ihn auch nicht.«
    Vorsichtig stapelte Will die Teller neben dem Spülbecken und wandte sich dann zu mir um. »Ich weiß nicht, was Sie wollen, Kit, aber es ist mir egal, was Sie über die Polizei oder sonst jemanden denken.«
    Das war’s. Ich warf mein Handtuch auf den Küchentisch und trat einen kämpferischen Schritt auf ihn zu. »Wieso, zum Teufel, sind Sie dann überhaupt gekommen? Erst sind Sie schon zu spät, und dann lümmeln Sie wie ein Teenager mit mürrischer Miene in der Ecke und geben sarkastische Kommentare von sich. Sie bilden sich ein, etwas Besseres zu sein als ich, stimmt’s?«
    Will schob stirnrunzelnd die Hände in die Hosentaschen.
    »Ich bin gekommen, weil mich Ihre Freundin mit ihrer Einladung so überrascht hat, dass ich gar nicht wusste, wie mir geschah. Und dass ich zu spät gekommen bin, tut mir Leid. Wie gesagt, ich hatte einen schlimmen Tag.«
    »Ich hatte auch einen schlimmen Tag.«
    »Ich werde jetzt nicht mit Ihnen streiten, wer den schlimmeren Tag hatte.«
    »Ich bin nicht Ihr Feind«, erklärte ich.
    »Nein?« Er verließ die Küche. Ich folgte ihm, sodass wir fast gemeinsam das Wohnzimmer betraten. Ich war puterrot im Gesicht und sehr wütend. Wie er aussah, weiß ich nicht.
    »Wir haben gerade festgestellt«, sagte Catey, »wie erstaunlich es doch ist, dass Sie Ihren fantastischen Job aufgegeben haben, um stattdessen in diesem Jugendhaus zu arbeiten.«
    Ich befürchtete schon, dass er zu Catey genauso ekelhaft sein würde wie eben in der Küche zu mir, aber sein Gesichtsausdruck wirkte fast gütig. »So erstaunlich war das gar nicht«, antwortete er. Dann wandte er sich an Alastair. »Warum geben Sie Ihren schönen Job nicht auf?«
    Alastair starrte ihn verblüfft an. »Na ja, weil, ich weiß nicht recht … Ich nehme an, weil ich es nicht will.«
    Will breitete die Hände aus. »Ich wollte es. Das ist alles.«
    Julie kam – nein, sie schwebte, wenn es überhaupt ein Wort dafür gibt – mit einer Tasse Kaffee auf ihn zu und reichte sie ihm. »Warum sind Sie zu Kit so aggressiv?«, wollte sie wissen.
    Er zuckte zusammen und sah fast verstohlen zu mir herüber.
    »Aggressiv?«, fragte er. »Vielleicht bin ich überempfindlich. Als ich mit dem Jugendhaus anfing, habe ich mir von den Leuten Hilfe erwartet, unter anderem von der Polizei, von Sozialarbeitern. Aber da kam nichts.
    Inzwischen will ich nur noch, dass sie uns in Ruhe lassen.
    Deswegen fauche ich die Leute manchmal ein bisschen an.«
    »Ich will doch nur helfen.« Ich hörte selbst, wie erbärmlich meine Worte klangen.
    »Sie kommen zu spät«, antwortete er. »Sie ist tot. Ich bin auch zu spät gekommen.« Er lächelte traurig. »Sehen Sie, da haben wir wenigstens eins gemeinsam.« Nach einem ersten vorsichtigen Schluck von seinem Kaffee stürzte er gleich die ganze Tasse hinunter. »Sie müssen entschuldigen«, sagte er. »Ich gehe jetzt wohl lieber.«

    »Nein«, widersprach ich. »Nicht meinetwegen.«
    »Es ist nicht Ihretwegen. Ich bin zurzeit nur nicht in der Verfassung für Geselligkeit.«
    Er verabschiedete sich recht manierlich von allen und machte Julie ein Kompliment wegen des Essens. Sie begleitete

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