Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
Polizei ungefähr ein Jahr lang in die falsche Richtung ermittelt, weil alle ein gefälschtes Band für echt hielten.«
    »Sie halten diese kleine Ratte Darryl Pearce für clever genug, eine falsche Aussage zu machen?«
    »Ich habe diese Möglichkeit zumindest in Betracht gezogen und überlegt, ob er vielleicht einen Fehler gemacht oder sich die Geschichte nur ausgedacht haben könnte, um damit von etwas anderem abzulenken, aber ich bin auf keinen grünen Zweig gekommen.«

    »Also?«
    »Mary Gould.«
    »Helfen Sie mir auf die Sprünge.«
    »Die Frau, die die Leiche gefunden hat.«
    Furth machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das war doch die, die zu viel Schiss hatte, uns anzurufen, und sich erst am nächsten Tag gemeldet hat. Die kann man vergessen, die hatte nichts Wichtiges zu sagen.«
    »Sie hat Lianne gesehen, in ihrer Aussage aber nicht erwähnt, dass sie zu dem Zeitpunkt noch am Leben war.
    Wie erklären Sie sich das?«
    »Vielleicht hat sie es vergessen. Oder sie hat es gar nicht gemerkt.«
    »Es ist ziemlich unwahrscheinlich, nicht zu merken, wenn jemand aus einer Hauptschlagader verblutet.«
    »Vielleicht ist sie erst kurz nach Liannes Tod am Tatort eingetroffen.«
    Ich sah Furth an. Seine Miene wirkte eine Spur weniger verächtlich, als wäre gegen seinen Willen sein Interesse erwacht.
    »Bisher«, sagte ich, »sind Sie davon ausgegangen, dass Darryl Pearce, der seiner Aussage zufolge auf dem Treidelpfad entlang des Kanals unterwegs war, plötzlich jemanden stöhnen hörte. Während er noch überlegt, was er tun soll, stirbt Lianne, und Mary Gould trifft von der anderen Seite ein, aus Richtung der Wohnanlagen, wie sie ausgesagt hat. Sie ist zu Tode erschrocken und rennt davon, bevor Darryl erscheint und die inzwischen tote Lianne findet. Da ist ziemlich viel passiert in neunzig Sekunden.«
    »Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
    »Ich habe zumindest eine Alternative. Mary Gould findet die Leiche, schreit auf, läuft davon. Darryl Pearce hört diesen Schrei und nimmt an, dass er von Lianne kam.
    Mehr fällt mir dazu im Moment auch nicht ein. Die Aussage von Darryl Pearce ist das Einzige, was darauf hindeutet, dass Lianne am Kanal noch am Leben war.«
    Furth lehnte sich zurück. »Verdammt«, sagte er nachdenklich …
    »Sie verstehen, was ich meine?«
    »Darüber muss ich erst mal nachdenken.«
    »Eins noch.«
    »Was?« Furth blickte an mir vorbei ins Leere.
    »Wenn wir uns einig sind, dass der eigentliche Mord nicht an den Kanal gebunden ist –«
    »Worüber wir uns noch keineswegs einig sind«, unterbrach mich Furth.
    »– dann ist das Entscheidende nicht der Ort, sondern die Art des Mordes. Was bedeuten könnte, dass wir es hier mit einem Killer zu tun haben, der wahllos nach Opfern Ausschau hält. Falls dem tatsächlich so ist, könnte es weitere Fälle geben, die bisher übersehen worden sind.
    Deswegen wäre es vielleicht sinnvoll, nach Parallelen zu anderen Fällen zu suchen. Was meinen Sie?«
    »Ich werde darüber nachdenken«, antwortete Furth.
    »Möchten Sie, dass ich mit Oban darüber spreche?«
    »Das mache ich schon.«
    »Gut«, antwortete ich munter. Nachdem ich Furth auf diese Weise den Vormittag verdorben hatte, verließ ich das Revier mit einem seltsam fröhlichen Gefühl.

    13. KAPITEL
    Alle Kummerkastentanten sind sich einig, was zu tun ist, wenn man einen unangenehmen Gast zum Abendessen erwartet. Man muss sich mit seinen allerbesten Freunden in Verbindung setzen und ihnen die Situation erklären.
    Dann lädt man sie ein, verspricht ihnen aber, sie zu entschädigen, indem man sie in naher Zukunft zu einem wirklich schönen Abend einlädt. Ich zog diese Möglichkeit in Betracht, hatte dann aber eine göttliche Eingebung. Ich dachte: So ein Schwachsinn! Warum sollte ich liebe Menschen, an denen mir etwas lag, einen solchen Abend zumuten? Ich hatte ein viel bessere Idee. Irgendwo in meinem Hinterkopf gab es eine kleine Gruppe von Leuten, die dort lauerte wie eine Migräne. Sie waren wie ein Fussel an meinem Mantel, den ich einfach nicht loswurde. Ich schuldete diesen Leuten seit langem eine Einladung, konnte mich aber nie dazu aufraffen.
    Da war beispielsweise Francis aus der Welbeck-Klinik.
    Er hatte mich mal zu einem Abendessen in seiner Wohnung in Maida Vale eingeladen. Es war zu einem schrecklichen Streit gekommen – ich konnte mich nicht mehr erinnern, worum es dabei gegangen war –, ein Gast war vorzeitig aufgebrochen, und Francis hatte sich anschließend vor Verlegenheit

Weitere Kostenlose Bücher