Das rote Zimmer
annähernd groß genug, obwohl inzwischen gut die Hälfte aller Räume von ihrem Mobiliar befreit worden waren.
Der Konferenzraum, der eilig im Shackleton Hotel gleich um die Ecke angemietet worden war, quoll über vor drängelnden Menschen in Anzügen und Kostümen, die alle etwas in ihre Handys schrien. Im Raum war es schrecklich heiß, und ich sah, wie ein Mann in Uniform vergeblich versuchte, ein Fenster zu öffnen. Ich stand ganz hinten, in der Nähe der Tür, durch die zum Glück ein wenig frische Luft hereinwehte.
Vier Männer in grauen Anzügen marschierten zur Tür herein. Oban, Furth, Renborn und Renborns Stellvertreter, Paul Crosby. Sie gingen direkt an mir vorbei, bemerkten mich aber nicht, weil sie von drei uniformierten Beamten und ihrer eigenen Aura geschäftsmäßiger Dringlichkeit abgeschirmt wurden. Eilig bahnten sie sich einen Weg durch die Menge und betraten das Podium. Dort ließen sie sich am Tisch nieder und wurden sofort von Fernsehscheinwerfern angestrahlt, deren grelles Licht sie auf einen Schlag realer wirken ließ als alles andere im Raum. Eine Beamtin brachte ihnen einen Krug Wasser und vier Gläser. Sie tranken alle einen Schluck, ehe sie sich mit ernster Miene an ihr Publikum wandten. Auf dem Tisch stand ein Mikrofon. Oban klopfte mit dem Finger darauf. Es klang, als würde jemand mit einem Teppichklopfer gegen die Wand schlagen. Der Lärm im Raum verstummte wie auf Knopfdruck.
»Meine Damen und Herren«, begann Oban, »die meisten von Ihnen kennen mich bereits. Ich bin Detective Chief Inspector Daniel Oban aus Stretton Green. Ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden. Wir sind hier, um Sie darüber zu informieren, dass wir bei unseren Ermittlungen im Mordfall Philippa Burton einen wichtigen Schritt vorangekommen sind.«
Leises Stimmengemurmel hob an, und Oban, der einen Sinn für Dramatik besaß, hielt kurz inne. Es war ihm anzusehen, dass er den Moment genoss. »Zehn Tage vor dem Mord an Mrs. Burton wurde eine junge Frau, die ihren Freunden unter dem Namen Lianne bekannt war, an dem Kanalstück, das durch den Stadtteil Kersey Town verläuft, ermordet aufgefunden. Wir sind inzwischen der Meinung, dass diese beiden Morde vom selben Täter begangen wurden.«
Nach diesen Worten nahm er erneut einen Schluck Wasser. Seine Kinnpartie wirkte verspannt.
Wahrscheinlich musste er sich beherrschen, nicht unpassenderweise vor Freude zu lächeln, weil seine Worte so viel Aufregung hervorgerufen hatten.
»Wenn Sie mich bitte ausreden lassen würden«, fuhr er fort.
»Eine Folge davon ist, dass wir die bisher unabhängig voneinander geführten Ermittlungen zusammenlegen werden. Da ich zufällig länger im Dienst bin als mein Kollege hier, werde ich die offizielle Leitung übernehmen, aber ich brauche wohl nicht eigens zu betonen, dass Vic Renborn und sein Team bisher hervorragende Arbeit geleistet haben und wir eng zusammenarbeiten werden.«
Er nickte mit ernster Miene zu Renborn hinüber, der ihm mit einem raschen, geschäftsmäßigen Nicken dankte.
Sofort schoss in den vorderen Reihen ein Wald von Händen hoch. Oban deutete auf jemanden, den ich nicht sehen konnte. »Ja, Ken?«
»Worauf gründet sich diese Annahme, dass zwischen den beiden Fällen eine Verbindung besteht?«
»Wie die meisten von Ihnen wissen, dient die Analyse von Fasern für gewöhnlich dem Ziel, eine Verbindung zwischen einer Leiche und einem Verdächtigen herzustellen. In diesem Fall aber haben wir zusammenpassende Fasern auf der Kleidung der beiden Frauen gefunden.«
»Welche Art von Fasern?«
»Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass man beide Frauen dort umgebracht hat, wo ihre Leichen gefunden wurden. Inzwischen vermuten wir, dass sie an einem anderen Ort getötet und dann mit einem Fahrzeug zu einer relativ abgelegenen Stelle transportiert wurden, wo sich der Täter ihrer Leichen entledigte. Was wir gefunden haben, ist eine Form von …« Oban blickte auf ein vor ihm liegendes Blatt, »… synthetischem Polymer, das beide Leichen aufwiesen.«
Jemand anders stand auf. Eine Frau mit einem Mikrofon.
»Aber wie sind Sie auf diese Verbindung gekommen?«
Nun gestattete sich Oban den Anflug eines Lächelns.
»Ein entscheidender Aspekt bei den Ermittlungen in einem Mordfall ist stets die Verwaltung der Informationen und der Informationsfluss zwischen verschiedenen Teilen der Londoner Polizei und darüber hinaus. Ich würde sagen, in diesem Fall hat es mit der Kooperation bisher vorbildlich
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