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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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mich.«
    »Michael, ich habe es Ihnen doch erklärt. Ich war sehr beschäftigt.« Ich bemühte mich um einen entschiedenen Ton.
    »Ich habe auf Sie gewartet. Ich bin nicht mehr an den Kanal gegangen. Ich habe darauf gewartet, dass Sie wiederkommen und mit mir reden würden.«
    »Ich habe gearbeitet.«
    »Genau wie die anderen. Ich dachte, Sie wären anders.«
    Eine Säule aus Asche fiel auf seine Knie. Er ließ die noch glimmende Zigarettenkippe in seine Kaffeetasse fallen, wo sie zischend ausging. Er wäre in der Lage gewesen, Lianne zu töten, dachte ich. Ohne weiteres.
    Wenn sie auf einen Annäherungsversuch mit Gelächter reagiert oder über seine Tränen gelacht hätte.
    »Kann ich noch eine haben?«
    »Das war meine Letzte. Sollen wir zusammen losziehen und welche besorgen?«
    »Nicht nötig.« Er zog eine Schachtel aus der Tasche. Sie war fast voll. Er bot mir eine an, aber ich schüttelte den Kopf. »Ich muss gleich weg, Michael«, erklärte ich. Will würde sowieso nicht kommen.
    Er runzelte die Stirn. »Noch nicht. Ich möchte mit Ihnen reden.«
    »Worüber?«
    »Einfach nur reden. Sie wissen schon. Wie Sie gesagt haben. Sie haben gesagt, ich könnte Ihnen alles erzählen.«
    »Das war ein berufliches Gespräch, Michael«, antwortete ich sanft. Sein Gesicht nahm einen fassungslosen Ausdruck an.
    »Das war mein Job.«
    »Sie meinen, Sie haben mir nicht die Wahrheit gesagt?«
    »Das habe ich damit nicht gemeint.«
    »Ich muss immer noch an sie denken.«
    »Lianne?«
    »Ja. Niemand will hören, was ich zu sagen habe, aber ich war dort, oder etwa nicht? Ich war dort.«
    »Vielleicht.«
    »Nein, nein, nicht vielleicht. Warum sagen Sie, vielleicht? Ich war dort und …«
    Die Tür flog auf. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören.
    Doll sprang erschrocken auf und stieß dabei seine Tasse um. Kaffeesatz und nasse Asche landeten auf dem Boden.
    »Hallo, Michael«, sagte Will. Er ging auf Doll zu und gab ihm die Hand. Doll ließ die Hand nicht mehr los.
    »Ich habe nichts Falsches getan.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Warum sind Sie dann hier?«
    »Dr. Quinn ist eine gute Bekannte von mir.« Er hatte noch nicht in meine Richtung geblickt.
    »Sie kennen sich?«, fragte Doll.
    »Ja.«
    »Dann kennen wir Kit also beide, und ich kenne Sie, und Sie kennen mich. Wir kennen uns alle.« Plötzlich kam er mir in seiner schrecklichen orangefarbenen Hose sehr klein und mager vor. Ich fühlte mich wie eine Idiotin und schämte mich meiner Angst.

    »Sie kennen sich?«, fragte ich wie zuvor Doll.
    Will drehte sich mit überraschter Miene zu mir um. »Ich dachte, Sie wüssten das. Wenn Sie mal ein bisschen darüber nachdenken, werden Sie feststellen, dass das kein so großer Zufall ist. Wie läuft’s mit dem Fischen, Michael?«
    »War schon länger nicht mehr«, murmelte Doll.
    »Das ist schade, wo das Wetter doch gerade besser wird.
    Michael ist ein großer Fischer, müssen Sie wissen«, erklärte er mir.
    »Ja, ich weiß.«
    »Ich fahre in deine Richtung, Michael. Soll ich dich mitnehmen?« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Dann hast du noch ein paar Stunden am Kanal, bevor es dunkel wird.«
    »Es macht mir nichts aus, wenn es dunkel ist.«
    »Wie auch immer, ich nehme dich auf jeden Fall mit.
    Dr. Quinn hat bestimmt noch zu arbeiten.«
    »Ja«, murmelte ich. »Danke.«
    »Geht es Ihnen gut?«
    »Ja.«
    »Sie sehen aber nicht so aus. Vielleicht sollten Sie ein bisschen besser auf sich aufpassen.« Er warf mir einen scharfen Blick zu.
    »Und mal eine Türkette anbringen lassen.«
    »Ich habe eine. Julie hat nur … na ja, Sie wissen schon.«
    »Sie schleicht draußen herum, in ihren Hausschuhen.
    Bereit, Michael?«
    Gemeinsam verließen sie die Wohnung. Ich beobachtete vom Fenster aus, wie Will Doll auf dem Beifahrersitz Platz nehmen ließ. Doll sagte etwas zu ihm, woraufhin Will ihm lachend auf die Schulter klopfte. Nachdem er die Beifahrertür geschlossen hatte, sah er zum Fenster empor.
    Ich formte durchs Glas ein lautloses Danke, auf das er aber nicht reagierte. Er starrte bloß mit gerunzelter Stirn herauf, als könnte er mein Gesicht nicht richtig erkennen.
    Dann wandte er sich ab.
    Julie stürzte herein. »Jetzt musst du mir aber alles ganz genau erzählen!«
    »Ich kann nicht«, antwortete ich. »Ich glaube, ich muss mich übergeben.«

    19. KAPITEL
    Die Pressekonferenz war erst in letzter Minute anberaumt worden, aber es ging zu wie in einem Bienenstock, und kein Raum des Polizeireviers Stretton Green war auch nur

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