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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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vorsichtig, aber sein zweites Opfer hat er sich am helllichten Tag geschnappt. Er wird kühner. Er braucht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Ich möchte wetten, dass er immer unvorsichtiger vorgehen wird und wir ihn beim nächsten oder übernächsten Mal schnappen. Und wissen Sie, was? Sein Name wird Mickey Doll sein.«
    Ich reagierte nicht auf die Erwähnung Dolls. »Aus Ihrem Munde klingt das alles wie ein Spiel.«
    »Nein«, erwiderte Oban, »das ist nicht fair.« Er nahm einen großen Schluck und wischte sich dann mit dem Handrücken über den Mund. »Wir benehmen uns vielleicht wie ein Haufen Vollidioten, aber das bedeutet nicht, dass wir tatsächlich welche sind.«
    »Ähm, ich fürchte, es bedeutet genau das«, meinte Furth, was großes Gelächter hervorrief. Es war, als fände unsere Besprechung inmitten einer Rugbyfeier statt.

    20. KAPITEL
    Nach meinem Vormittag in der Klinik hatte ich den Nachmittag frei. Als Mittagessen nahm ich mir ein warmes, mit Käse und Spinat gefülltes Croissant mit nach Hause, und hinterher verspeiste ich eine ganze Schüssel Himbeeren, große, rote Früchte aus dem Kühlschrank, deren Süße bereits eine Spur nach Gärung schmeckte. Ich aß sie langsam und genussvoll eine nach der anderen. Die Früchte färbten meine Finger rot. Draußen war die Luft vom Regen der letzten Nacht frisch und mit Feuchtigkeit gesättigt. Die Blätter der Bäume glänzten nass. Ich dachte an Lianne und Philippa, rief mir ihre Gesichter ins Gedächtnis. Ich wusste, wie Philippa zu Lebzeiten ausgesehen hatte – die Zeitungen hatten so viele Fotos von ihr gebracht, die sie mit ihrem seidigen blonden Haar und ihrem schlanken, gebräunten Körper zeigten. In Liannes Fall wusste ich nur, wie sie als Tote ausgesehen hatte, mit ihren abgebissenen Nägeln und dem struppigen Haar. Ich kannte weder die Farbe ihrer Augen noch die Art, wie sie gelächelt hatte. Ich musste mehr über diese beiden jungen Frauen in Erfahrung bringen, denn sogar für willkürlich angewandte Gewalt gibt es in der Regel ein Motiv. Und ich wollte mit Lianne beginnen, weil sie als Erste gestorben war, auch wenn sie kaum Spuren hinterlassen zu haben schien.
    Nachdem ich die letzte Himbeere verspeist hatte, spülte ich die Schüssel aus. Die Polizei war mir keine wirkliche Hilfe. Sie wussten nichts über Lianne, weder, wo sie herkam, noch, wer sie gekannt hatte. Sie konnten mir nichts sagen, was ich nicht schon wusste: dass sie eine Ausreißerin war, eine von den Tausenden von Vermissten, die durch die Straßen der Großstädte streunen. Die Polizei hatte ständig mit Leuten wie Lianne zu tun. Ausreißer nahmen Drogen, stahlen und gingen auf den Strich. »Sie sind Opfer, die dann zu Kriminellen werden«, erklärte Furth. Ich wollte schon antworten, ließ es dann aber sein.
    Wir waren wieder Gegner, die so taten, als wären sie Freunde.
    Mir fiel nichts Besseres ein, als mich nochmals an Pavic zu wenden. Ich musste meinen ganzen Mut zusammennehmen, um erneut bei ihm anzurufen. Bei allen unseren Begegnungen war ich hoffnungslos im Hintertreffen gewesen, aber das letzte Mal hatte alles Vorherige übertroffen. Ich holte tief Luft und wählte die Nummer. Eine Frau ging ran und erklärte mir, dass er nicht da sei, aber jede Minute zurückerwartet werde. Fast erleichtert hinterließ ich meine Nummer. Ich vertrieb mir die Wartezeit, indem ich in meiner Wohnung herumwanderte, aus dem Fenster sah, nach ein paar Zeitschriften griff und sie wieder weglegte.
    Fünfzehn Minuten später klingelte das Telefon. Ich nahm erst nach dem dritten Läuten ab, damit er nicht auf die Idee kam, dass ich gleich neben dem Telefon saß.
    »Hier Will Pavic.«
    »Tut mir wirklich Leid, dass ich Sie schon wieder belästigen muss«, erklärte ich. Ich schwieg einen Moment, aber er sagte nichts. »Ich brauche Ihre Hilfe«, fuhr ich fort.
    »Das habe ich mir schon fast gedacht«, meinte er trocken.
    »Ich muss unbedingt mit Leuten reden, die Lianne gekannt haben. Geben Sie mir wenigstens einen Tipp.«
    »Kit …«
    »Bitte.«

    »Also gut.«
    »Mein Gott, das war ja leichter, als ich dachte.« Er lachte nicht. Vielleicht hatte er vergessen, wie das ging.
    »Soll ich zu Ihnen ins Centre kommen?«
    »Mal sehen. Haben Sie so gegen sechs Zeit?«
    »Ja.«
    »Treffen wir uns doch an der Autowaschanlage in der Sheffield Street. Das ist hier ganz in der Nähe, nur die Straße rauf.«
    »An der Autowaschanlage?«
    »Ja. Es ist ein großes Gebäude, Sie können es gar nicht

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