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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sind dabei, einige Leute zu befragen.«
    »Stimmt es, dass Sie jemanden mit übersinnlicher Wahrnehmung engagiert haben, um den Mörder zu fangen? Und halten Sie das für eine angemessene Verwendung von Steuergeldern?«
    »Zu Ihrer ersten Frage: Nein, wir haben niemanden mit übersinnlicher Wahrnehmung engagiert. Andererseits –
    wenn mir jemand hilft, den Mörder zu finden, ist es mir egal, ob er dazu Teeblätter verwendet oder nicht. Und mit diesem hoffnungsvollen Ausblick sollten wir diese Pressekonferenz beenden, denke ich. Seien Sie versichert, wir werden Sie über alle Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Für uns heißt es jetzt, zurück an die Arbeit, das werden Sie bestimmt verstehen. Wir haben noch eine Menge zu tun.«

    Zwanzig Minuten später saßen wir im Lamb and Flag, einem nahe gelegenen Pub, das mit unterschiedlichen Zaumzeugbeschlägen dekoriert war und von vielen Polizisten frequentiert wurde. Oban nahm einen Schluck von seinem Bier und hielt das Glas anschließend nachdenklich ins Licht.
    »Als ich von ›uns Polizisten‹ sprach, waren Sie natürlich mit eingeschlossen, Kit. Ich weiß, dass ich Sie vielleicht namentlich hätte nennen sollen …«
    Ich nahm einen Schluck von meinem Mineralwasser und kam mir sehr spießig vor. Ich wollte nicht wie eine sauertöpfische Abstinenzlerin wirken, aber es war ein normaler Arbeitstag und erst elf Uhr vormittags. »Es geht mir nicht um Lorbeeren …«, begann ich.
    »Es ist nun mal so«, fuhr Oban fort, »dass es der Arbeitsmoral der Truppe förderlich ist, wenn man ihnen sagt, wie gut sie ihren Job gemacht haben. Ob verdient oder nicht. Aber eins dürfen Sie mir glauben, falls das Ganze schief geht, werden wir Sie bestimmt namentlich nennen, damit die Öffentlichkeit ihren Sündenbock bekommt.«
    »Ja, genau«, sagte Furth von der anderen Seite des Tisches her. Er hatte gerade ein zweites Glas neben sein erstes gestellt, das fast leer war. »Wir werden schon dafür sorgen, dass Sie zu Ihrem Recht kommen, Kit. Solange Sie uns nicht wieder im Stich lassen. Ich habe völlig den Überblick verloren, wie oft Sie in den Fall ein- und wieder ausgestiegen sind. Sie sind schon öfter von der Bühne abgetreten als Frank Sinatra. Wie auch immer, prost!«
    Der restliche Inhalt von Glas Nummer eins verschwand.
    So sah das also aus, wenn die Jungs nett zu mir sein wollten. Ich fand es oft schwierig zu unterscheiden, wann sie nett waren und wann garstig, und wusste häufig nicht, ob ich gerade einen Klaps auf die Schulter oder einen Stich zwischen die Rippen bekam. Vielleicht musste man ein Mann sein, um das zu verstehen. »Ihr Täterpsychogramm hat mich nicht so ganz überzeugt, Vic«, sagte ich vorsichtig.
    »Dafür dürfen Sie nicht mir die Schuld geben, meine Liebe. Ich habe nur Seb zitiert. Meinen Sie, er hat Unrecht?«
    »Nein. Aber das Ganze ist ein Glücksspiel. Wir sagen, der Mörder ist weiß, weil die meisten Serienmörder keine Rassengrenzen überschreiten. Das ist mir alles bekannt.
    Gefährlich wird die Sache, wenn man auf Grund eines solchen Psychogramms bestimmte Möglichkeiten von vornherein ausschließt.«
    »Ich dachte, das sei der Sinn der Sache.«
    »Es bringt nicht viel, wenn man ausgerechnet die richtige Möglichkeit ausschließt.«
    »Ich habe von Ihrer Theorie gehört«, schaltete sich Furth ein.
    »Ein netter psychopathischer Killer. Möchten Sie übrigens ein paar Chips?«
    Kaum zu fassen. Furth bot mir seine Chips an. Demnach war ich definitiv wieder an Bord. Ich schob mir ein paar in den Mund und zermalmte sie laut.
    »Ich habe nicht behauptet, dass er nett ist. Aber es gibt tatsächlich nette Mörder, zumindest in gewisser Hinsicht.«
    Im Hintergrund lachte jemand schallend. »Ich meine das ernst. Ich bin mal auf einen Fall gestoßen, da wurde ein Kind von seiner Mutter ermordet und anschließend beerdigt, aber bevor sie es vergrub, hüllte sie es liebevoll ein, als würde sie es ins Bett legen. Ich will damit nur sagen, dass wir nicht vorschnell von bestimmten Annahmen ausgehen sollten.«
    »Aber wie geht es nun weiter?«, fragte Oban. »Das ist unser Problem. Sie sagen uns immer nur, was wir nicht tun sollen, aber was sollen wir tun? In welche Richtung sollen wir ermitteln?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich und nahm den letzten Schluck von meinem Wasser. »Wir müssen für alle Möglichkeiten offen sein, das ist alles.«
    »Sie machen es sich zu schwer, meine Liebe«, mischte sich Furth wieder ein. »Anfangs war unser Täter

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