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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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verfehlen. Also bis dann.«
    »Wegen neulich –«, sagte ich, aber er hatte schon aufgelegt.

    Ich ging meine Notizen noch einmal durch und fragte in der Klinik nach, ob es Nachrichten für mich gebe. Dann machte ich mich auf den Weg zum Friseur um die Ecke, der sich neuerdings Haarstylist nannte und seinen Salon in Silber und Weiß präsentierte, beleuchtet von hartem Neonlicht. Ein junger Mann mit kahl rasiertem Schädel, der eine weite schwarze Hose und ein ärmelloses T-Shirt trug, band mir einen weißen Nylonumhang um und ließ mich vor einem großen, gnadenlosen Spiegel Platz nehmen. Dann stellte er sich hinter mich, nahm meinen Kopf in seine geübten Hände und fragte mich, was ich denn für Wünsche hätte.
    »Nur schneiden«, antwortete ich.
    Er nahm ein paar Strähnen meines braunen Haars und betrachtete mich einen Moment. »Sollen wir es vielleicht ein bisschen strähniger machen? Ein bisschen wilder?«
    »Nur schneiden.«

    »Ein paar Glanzlichter? Vielleicht ein bisschen Kupfer.
    Das ist im Moment sehr in.«
    »Vielleicht beim nächsten Mal.«
    »Schönes Haar«, sagte er und ließ es noch einmal nachdenklich durch seine Finger gleiten, bevor er mir ein Handtuch um die Schultern legte und mich zu einem Waschbecken führte. Ich lehnte mich zurück und ließ eine junge Frau, deren Haar aussah, als wäre es mit der Gartenschere geschnitten, meinen Kopf mit einem nach Kokosnuss riechenden Shampoo waschen. Ein wunderbares Gefühl. Ich schloss die Augen, weil mich das grelle Licht blendete. Anschließend umkreiste mich der junge Mann mit einer langen Schere und schnitt dicke Haarsträhnen ab, die weich auf dem Boden landeten.
    Immer wenn mich ein Härchen im Gesicht kitzelte, beugte er sich vor und blies sanft über meine Wange.
    Hinterher fühlte ich mich viel besser. Wenn ich den Kopf schüttelte, schwang mein Haar wie in diesen Werbespots für Weichspülungen. Ich eilte nach Hause und ging rasch unter die Dusche. Dann schlüpfte ich in meine weiße Jeans, ein biskuitfarbenes T-Shirt, Pumps und eine alte Wildlederjacke. Ich fühlte mich sauber und frisch.

    Die Autowaschanlage befand sich in einer Reihe alter und baufällig aussehender Lagerhallen in der Nähe des Kanals.
    Obwohl ich schon kurz vor sechs dort war, stand Will bereits auf dem Gehsteig und wartete auf mich. Ich hielt neben ihm, und er nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Ein anderer Wagen bog vor uns in die Anlage.
    »Wo ist Ihr Auto?«
    »Das wird gerade gewaschen, was sonst?«
    »Haben wir uns deswegen hier getroffen – weil Sie Ihr Auto waschen lassen wollten?«

    »Lianne hat hier Anfang des Jahres ein paar Wochen gearbeitet. Ich dachte, es wäre ein guter Ort, um mit Ihren Nachforschungen zu beginnen. Obwohl ich nicht sicher bin, wie viele von den Leuten, die damals hier beschäftigt waren, überhaupt noch da sind. Das Personal wechselt ziemlich häufig.«
    »Hier? Sie hat Autos gewaschen?«
    »Nein. Das ist natürlich reine Männersache. Sie hat Geld kassiert und die Karten ausgegeben. Die Frau, die den Laden betreibt, war eine Weile im Krankenhaus, weil sie eine neue Hüfte bekam. Sie ist eine Freundin von mir.«
    Noch während er sprach, trat aus dem Haus eine sehr beleibte Frau auf uns zu. Sie hatte dünnes Haar, dafür aber ein paar Borsten auf dem Kinn. Will öffnete die Beifahrertür, und sie beugte sich zu uns herunter, was ihr sichtlich schwer fiel. »Diana, das ist Kit. Kit, Diana.«
    Ich neigte mich über Will und begrüßte sie. Sie hatte einen festen Handschlag und kluge Augen. »Sie interessieren sich für Lianne?«
    Sie sprach das E am Ende des Namens. Ich fragte mich, woher sie wohl kam. »Ja. Es ist sehr freundlich von Ihnen, mir zu helfen.«
    »Vielleicht gehen Sie schon mal rein? Ich bin in ein paar Minuten bei Ihnen.«
    »Ich glaube, vorher lasse ich noch mein Auto waschen.«
    Sie lächelte. »Welches Programm möchten Sie?«
    Ich warf einen Blick auf die verschiedenen Programme, die auf einer großen Tafel vor dem Gebäude angeschrieben waren.
    »Ich nehme die Spezialwäsche.«
    Zum ersten Mal entdeckte ich in Wills Blick eine Spur von Anerkennung.

    »Das macht dann zwölf fünfzig.«
    Ich reichte ihr das Geld. Sie ließ es flink in eine Tasche ihres Rocks gleiten. Dann richtete sie sich auf und winkte mich durch die riesigen Tore. »Kurbeln Sie Ihre Fenster hoch!«, rief sie.
    »Bleibt man hier im Wagen sitzen?«, fragte ich Will.
    »Sieht ganz so aus.«
    Ich fuhr langsam zwischen den Toren hindurch und befand mich

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