Das rote Zimmer
mit einem Schlag in einer anderen Welt, einer dunklen, nassen Welt, in der hektische Betriebsamkeit herrschte. Scharfe Wassergüsse trafen uns aus allen Richtungen, und fünf oder sechs Männer, die alle Gummistiefel und Gummihandschuhe trugen, stürzten sich auf den Wagen und begannen, ihn mit langen Bürsten zu bearbeiten. Ich beobachtete sie durch die seifigen Fenster.
Der Mann, der sich gerade über meine Motorhaube beugte, hatte einen Schnurrbart wie ein Walross und melancholische Falten in seinem kantigen Gesicht mit den slawischen Wangenknochen. Der auf Wills Seite wirkte wie siebzehn. Er war ein sehr dunkler Typ, groß, dünn und auffallend hübsch. Er sah aus wie ein Filmstar. Ein älterer Mann, allem Anschein nach ein Chinese, wischte gewissenhaft mein Fenster. Als er meinen Blick bemerkte, lächelte er mich an.
»Was ist das hier?«
»Eine Waschanlage.«
»Danke«, sagte ich sarkastisch. »Ich meine, wo kommen alle diese Leute her?«
Will sah mich von der Seite an. »Die meisten sind Flüchtlinge. Sie arbeiten eine Weile hier, und keiner stellt ihnen unangenehme Fragen. Bezahlt wird bar.«
»Und Lianne?«
»Manchmal schicke ich junge Leute her. Es ist eine sichere Arbeit. Die Bezahlung ist nicht großartig, aber auch nicht ganz schlecht. Sie sind von der Straße weg und verdienen ein bisschen, bis sie vielleicht was anderes finden.«
Ein Mann in einem gelben Regenmantel winkte mich weiter. Langsam fuhr ich zwischen die nächsten Wasserdüsen: sauberes Wasser, um die Seife wegzuwaschen. Weitere Männer, diesmal mit Tüchern bewaffnet, waren bereits im Anmarsch. Hinter uns fuhr der nächste Wagen in die Anlage.
»Das ist ja erstaunlich!«
Wills Miene wirkte selbstzufrieden, als hätte er das alles für mich arrangiert.
»Das mit Doll tut mir Leid«, sagte ich schließlich.
»Warum?«
»Es tut mir Leid, dass ich Ihnen solche Umstände gemacht habe. Ich meine, Sie kennen mich ja kaum, aber mir ist einfach nichts anderes eingefallen.«
»Warum haben Sie nicht die Polizei angerufen?«
»Ich wollte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen – und um ehrlich zu sein, befand ich mich selbst auch in einer etwas peinlichen Lage. Aber das ist eine lange Geschichte.
Zu lang.«
Er nickte, als wäre er gar nicht neugierig. »Es war richtig, mich anzurufen.«
»Dann halten Sie ihn für gefährlich?«
»Ich weiß nicht. Er ist …« Er zögerte einen Moment,
»… er ist ein todunglücklicher Mensch.«
Wieder wurde ich nach vorn gewinkt, diesmal in eine Art Parkbucht.
»Hier steigen wir aus«, erklärte Will. »Jetzt ist das Wageninnere an der Reihe. Er wird aber wiederkommen.«
»Doll?«
»Sie haben es ihm angetan. Er fühlt sich von Ihnen verstanden.«
»Oh.« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Und er findet Sie schön«, fügte er hinzu, als wäre das ziemlich lustig.
Ich stieg aus und wartete auf Will. Sofort stiegen vier Männer ein, zwei mit Putzlappen und Eimern, einer mit einem Malerpinsel, der wohl für die Ecken und Spalten gedacht war, und einer mit einem Industriestaubsauger.
Diana erschien mit zwei Tassen Kaffee. Sie war in Begleitung eines jungen Marines, der ein rosafarbenes Bart-Simpson-T-Shirt trug. »Das hier ist Gonzalo«, stellte sie ihn vor. »Er war schon da, als Lianne hier gearbeitet hat.«
Er hatte dünnes schwarzes Haar, eine olivfarbene Haut, das schüchternste Lächeln, das man sich vorstellen konnte, und einen weichen, kraftlosen Händedruck.
»Hallo«, sagte ich. Er zog erschrocken den Kopf ein.
»Dann kannten Sie also Lianne?«
»Lianne. Ja. Lianne.«
»Waren Sie ein Freund von ihr?«
»Freund?« Er hatte einen sehr starken Akzent. Ich wusste nicht so recht, ob er überhaupt etwas von dem verstand, was ich zu ihm sagte.
»Waren Sie ein Freund von Lianne?«, wiederholte ich.
Er sah mich stirnrunzelnd an. »Wo kommen Sie her, Gonzalo?«
Seine Miene hellte sich auf. Er deutete mit dem Zeigefinger auf seine Brust. »Kolumbien. Schön.«
»Ich spreche kein Spanisch.« Ich wandte mich an Will.
»Können Sie Spanisch?«
»Nein. Aber ich wette, Lianne konnte es auch nicht.
Gonzalo, war Lianne glücklich?«
»Glücklich?« Er schüttelte den Kopf. »Nicht glücklich.«
»Traurig?«
»Traurig, ja, und das.« Er hielt auf theatralische Weise die Hand vor den Mund.
»Verängstigt?«, fragte ich.
»Wütend?«, schlug Will vor.
»Verloren«, sagte Diana. Sie drückte mir eine Kaffeetasse in die Hand. Ich nahm einen Schluck. Er war nur lauwarm und
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