Das rote Zimmer
sind zu einem verschmolzen worden, und ich bin im Hauptfall als Berater engagiert worden.«
»Aber der Mord an Lianne ist zuerst passiert, Seb. Willst du damit sagen, dass der Mord an Philippa Burton wichtiger ist?«
»Ich wollte damit nur sagen, dass die Ermittlungen breiter angelegt waren. Fakt ist, dass wir zwei psychologische Berater haben, und deswegen möchte ich die Dinge klarstellen. Nur damit es keine Missverständnisse gibt.«
»Ich verstehe nicht ganz«, erwiderte ich.
»Nun ja, ich bin beispielsweise der Meinung – nur, um irgendein Beispiel herauszugreifen –, dass die öffentliche Darstellung unserer psychologischen Beratungstätigkeit eine gewisse Konsistenz erfordert.«
»Sie meinen, Sie wollen im Fernsehen und bei Pressekonferenzen in Erscheinung treten«, fasste Oban seine Worte trocken zusammen.
»Damit habe ich kein Problem«, erklärte ich hastig.
»Dann sind wir uns in diesem Punkt also einig«, meinte Oban.
»Das war nur ein hypothetisches Beispiel«, antwortete Seb, »aber falls das gewünscht wird, bin ich durchaus bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.«
»Aber Kit wird weiterhin eine zentrale Rolle spielen«, verkündete Oban in entschiedenem Tonfall. »Wir haben es schließlich ihr zu verdanken, dass die Ermittlungen in den beiden Fällen zusammengelegt werden konnten.«
»Ja, das habe ich gehört«, sagte Seb. »Da hast du wirklich einen Glückstreffer gelandet, Kit.«
Ich holte tief Luft. Ich hatte nicht vor, mich provozieren zu lassen. »Wie kommen Ihre Leute mit der Analyse der Fasern voran?«, wandte ich mich an Oban. »Irgendwelche Hinweise auf den Wagentyp?«
Oban schüttelte den Kopf. »Sie können sich gern die technischen Daten ansehen, wenn Sie wollen. Es handelt sich um eine ganz besondere Art von farbiger Synthetikfaser. Beide Proben stammen definitiv von derselben Quelle, aber das muss nicht unbedingt der Teppich des Wagens sein. Es kann sich genauso gut um eine Decke oder ein Stück Stoff oder hundert andere Dinge handeln. Das Ergebnis ist uns keinerlei Hilfe.« Mit ratloser Miene schob er die Hände in die Hosentaschen.
»Ich muss gehen. Eine Besprechung mit jemandem aus dem Innenministerium. Danach treffe ich mich mit ein paar Leuten, die den Mörder mit Wünschelruten finden wollen. Zumindest glaube ich, dass es was in der Richtung war. Idioten mit gegabelten Stöcken.«
Nachdem er weg war, standen Seb und ich verlegen da und wussten nicht so recht, was wir sagen sollten. »Wie geht’s Poppy?«, fragte ich, ohne daran zu denken, dass ich ihn das schon gefragt hatte.
»Ach, du weißt ja, wie sie ist«, antwortete er, den Blick auf einen Punkt über meiner Schulter gerichtet. »Übrigens wollte ich dich schon die ganze Zeit anrufen. Hat Poppy es dir erzählt? Megan und Amy konnten nach deiner Gutenachtgeschichte tagelang nicht schlafen. Sie sind jede Nacht schreiend aufgewacht.«
»Das tut mir Leid!«, sagte ich bestürzt. »Ich wollte nicht
…«
»Nein, war doch nur ein Scherz. Trotzdem, interessante Idee.
Ist mir gar nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wo hast du die Geschichte her?«
»Das habe ich dir schon gesagt, glaube ich. Es war ein Traum, der mich seit meinem Unfall immer wieder mal quält.«
»Rotes Zimmer. Interessante Idee. Eine blutige Kammer.
Glaubst du, es handelt sich dabei um eine Art Gebärmutter? Deine Mutter ist früh gestorben, nicht wahr?
Glaubst du, du bringst auf diese Weise den Wunsch zum Ausdruck, in ihren toten Schoß zurückzukehren?«
Ich verspürte den starken Drang, Seb mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf zu schlagen. »Nein, das glaube ich nicht«, antwortete ich. »Es ist eine Geschichte über eine große Angst, weil es mir große Angst eingejagt hat, dass mir jemand das Gesicht zerschnitten hat.«
»Auch möglich«, meinte Seb nachdenklich. »Hast du was darüber geschrieben? Planst du eine Arbeit darüber?«
»Nein«, antwortete ich. »Mein Thema sind normalerweise die Träume anderer Leute.«
»Gut«, sagte er. »Gut.«
Am nächsten Morgen klingelte sehr früh das Telefon. Es war Oban. »Besorgen Sie sich eine Zeitung.«
»Wie meinen Sie das? Was für eine?«
»Eine von den Boulevardzeitungen. Egal, welche. So ein Mist!« Mit diesen Worten legte er auf.
Fünf Minuten später, nach einem atemlosen Sprint zu dem Mann an der U-Bahn-Station, lag eine Auswahl der Boulevardzeitungen des Tages auf meinem Tisch. Das vertraute, leicht belämmerte, aber zugleich irgendwie bemüht dreinblickende Gesicht von
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